Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Was konkret muss Ihr Nachfolger anpacken?
Dem Land wird es auch in den nächsten Jahren nicht schlecht gehen. Das Geld wird da sein. So gehe ich davon aus, dass die Übernahme des Tarifergebnisses in der Tarifrunde 2019 nicht mehr mit Sparmaßnahmen verbunden sein wird. Selbstverständlich muss sie zeitgleich erfolgen. Dann wird es nur noch eine Frage sein, was das Land zusätzlich tun muss: ob es etwa noch mal einen Baden-Württemberg-Bonus für alle Beamten geben wird. Zudem müssen die seit 2013 greifenden Beihilfeverschlechterungen zurückgenommen werden, da nur Baden-Württemberg sie vorgenommen hat. Die Eingriffe führen dazu, dass gerade die jungen Beamten mit Familie unter die Existenzschwelle rutschen. Auf dem Niveau der alten Beihilfe müssten sie bis zu 200 Euro weniger monatlich für ihre Krankenversicherung zahlen. Es wäre eine erste Maßnahme und ein deutliches Signal.
Muss man den Beschäftigten nur oft genug erzählen, wie schlecht es ihnen geht, dann glauben sie das auch – was am Ende zu gesellschaftlichen Auseinandersetzungen führt?
Diese Gefahr besteht. Wir haben lange gerungen, ob wir das Gutachten zur Besoldung in Auftrag geben. Aber wir haben im Land 140 000 Mitglieder. Da gab es viele, die uns zur Klage gegen die eingeschränkte Übernahme des Tarifergebnisses aufgefordert haben.
Schüren Sie nicht auch eine Anti-Establishment-Haltung und treiben so den Rechtspopulisten Wähler in die Arme?
Diese Anti-Haltung ist ohnehin schon da, weniger allerdings in der Beamtenschaft. Zumal die Wahlbeteiligung bei den Beamten deutlich höher ist als in der Gesamtbevölkerung. Zweitens wird die AfD großteils aus Protest gewählt. In der Beamtenschaft war der Anteil der AfD-Wähler bei der Landtags- und Bundestagswahl geringer als im Landesschnitt. Wir haben über die Jahre schon einiges gegen den Rechtspopulismus getan.
Wann immer der Beamtenbund über Einschnitte klagt und Verbesserungen fordert, kommen Angestellte, denen es noch schlechter geht und viele Privilegien nicht haben. Spüren Sie diesen Grundsatzkonflikt?
Ja, der ist groß. Den habe ich wahrgenommen, solange ich dieses Amt inne habe. Ich bin froh, dass wir die wechselseitigen Vorbehalte der Beschäftigtengruppen haben abbauen können.
Geht es insgesamt gerecht zu zwischen diesen beiden Gruppen?
Es gibt derzeit große Unterschiede im Laufe des Berufslebens für bestimmte Gruppen: zum Beispiel im mittleren Dienst, aber auch im gehobenen und im höheren Dienst. Diese Unterschiede können nicht mit dem Hinweis auf die Sozialabgaben der Tarifbeschäftigten erklärt werden. Da muss in der Besoldungsstruktur noch einiges korrigiert und die Bezahlung verbessert werden, nachdem im Tarifbereich zuletzt einige Verbesserungen durchgeführt wurden. Dass die Vertreter der beiden Gruppen mittlerweile differenziert und toleranter miteinander umgehen, lässt mich aber ruhiger werden.
Müssen Sie nicht fürchten, dass sich das Lagerdenken zwischen den Beamten und den Angestellten weiter ausbreitet?
Die Gefahr, dass der Riss noch größer wird, bestand immer und besteht auch weiterhin. Es gibt noch Schlaglöcher, aber die Gräben sind meines Erachtens zugeschüttet.
Das Wahlergebnis für den neuen Chef des Deutschen Beamtenbundes, Ulrich Silberbach, deutet nicht darauf hin?
Ich hätte mir für ihn einen besseren Start gewünscht. Dass es ein knappes Ergebnis geben würde, lag aber auf der Hand. Es wird nicht mehr zu größeren Konflikten führen.
Warum ist es dem Beamtenbund in Baden-Württemberg nicht gelungen, wie auf Bundesebene mit dem Vorsitzenden Frank Bsirske eine Verständigung mit Verdi zu finden?
Mit Verdi und der GEW hatten und haben wir keine Probleme. Die gab es nur mit einer anderen DGB-Gewerkschaft, der Gewerkschaft der Polizei. Da gab es Friktionen. So haben wir entschieden: Wir ziehen an einem Strang mit dem DGB, treten aber nicht immer gemeinsam auf. Dieses Hindernis sehe ich nach dem Wechsel an der Landesspitze dieser DGB-Gewerkschaft nicht mehr: So sollte es auch mit der GdP wieder gemeinsame Aktionen geben, wäre mein Ratschlag an meinen Nachfolger.
Am Ende: Ist das Glas halbvoll oder halbleer?
Für mich ist das Glas halbvoll – nicht nur aufgrund der aktuellen Entwicklungen. Nun sollte der Beamtenbund darauf hinarbeiten, dass noch „nachgeschenkt“ wird.