Nach langen Querelen bemüht sich die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg nun verstärkt um einen Neubeginn. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart/Ludwigsburg - Die krisengeplagte Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg bemüht sich verstärkt um einen Neubeginn. Aus den Personalquerelen der Vergangenheit zieht sie nun weitere Konsequenzen: Nach dem Rektor sollen auch die Dekane der beiden Fakultäten für die allgemeine Verwaltung und die Finanzverwaltung ausgetauscht werden. Derweil wird die Hochschule weiter durch die Untreue-Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen umstrittener Zulagen für Professoren belastet. Der frühere Vorsitzende der Studentenvertretung fordert einen Untersuchungsausschuss des Landtags, um alle Unregelmäßigkeiten aufzuklären. Dabei solle auch die Rolle von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) durchleuchtet werden. Nach dem Willen der Deutschen Steuergewerkschaft soll künftig wieder das Finanzministerium für die Ausbildung der Steuerbeamten zuständig sein. Die Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) zeigt sich dafür offen.

 

Zwei Monate nach seinem Amtsantritt wurde der neue Rektor, Wolfgang Ernst, jetzt auch offiziell eingesetzt. Zugleich wurde der Beauftragte des Wissenschaftsministeriums, Hartmut Melenk, verabschiedet, der die Beamtenhochschule seit der Ablösung der Rektorin Claudia Stöckle vor anderthalb Jahren geführt hatte. „In Ludwigsburg beginnt eine neue Ära“, sagte die Vorsitzende des Hochschulrates, die Karlsruher Oberfinanzpräsidentin Andrea Heck. Das Wissenschaftsministerium war bei dem Festakt weder durch die Ministerin noch durch die Staatssekretärin oder die Amtschefin vertreten, sondern nur durch den zuständigen Abteilungsleiter. Der neue Rektor Ernst blickt nach Angaben der Hochschule „optimistisch in die Zukunft“. Die Beamtenschmiede habe „mehr verdient als Diskussionen, die von Neid geprägt sind“, wurde er zitiert.

Beschuldigte genießen volles Vertrauen

Auf Anfrage unserer Zeitung bestätigte Ernst, dass die Spitzen beider Fakultäten ausgetauscht werden. Das Votum einer von Wissenschaftsministerin Bauer eingesetzten unabhängigen Kommission habe dabei „mit eine Rolle“ gespielt. Die Experten hatten empfohlen, die nur noch kommissarisch amtierenden Dekane sollten vom neuen Rektor nicht wieder zur Wahl vorgeschlagen werden. Wie die Ex-Chefin Stöckle hätten sie einen wesentlichen Anteil an der Führungskrise, weil sie nicht ausreichend mit der Hochschulleitung kooperiert hätten; vielmehr hätten sie durch ihren Rückzug offenbar gezielt die Funktionsunfähigkeit der Hochschule herbeiführen wollen. Während die für die allgemeine Verwaltung zuständige Dekanin Claudia Schneider offenbar nicht wieder kandidierte, geht ihr für die Steuerverwaltung zuständiger Kollege Jürgen Hottmann in den Ruhestand. Zu ihren Nachfolgern wurden nach Auskunft der Hochschule die Professoren Arne Pautsch und Elmar Vogl gewählt; sie sollen ihr Amt Anfang September antreten.

Durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sieht Ernst den Hochschulbetrieb „nicht spürbar beeinträchtigt oder gestört“. Während des laufenden Verfahrens gelte weiter der Grundsatz der Unschuldsvermutung. Die beschuldigten Professoren genössen unverändert „das volle Vertrauen der Hochschule“. Zu den Empfängern der umstrittenen Zulagen soll auch die Prorektorin Margarete Berndt gehören. Zu Konsequenzen nach Abschluss der Ermittlungen äußerte sich der Rektor nicht. An der Hochschule liefert insbesondere die Razzia vor wenigen Wochen weiter Gesprächsstoff. „Wurde bei Ihnen auch durchsucht?“, erkundigen sich Studenten bei ihren Professoren. Zudem habe der angeschlagene Ruf bereits Folgen für Einladungen zu Vorträgen oder für Nebentätigkeiten von Professoren, wie zu hören ist.

Student und Steuergewerkschaft stützten Ex-Rektorin

Der frühere Vorsitzende der Studentenvertretung, Sebastian Kröber, sieht in den Zulagen, deretwegen die Staatsanwaltschaft ermittelt, nur „die Spitze des Eisberges“. Dienstrechtsverletzungen, Regel- und Rechtsverstöße seien in Ludwigsburg „an der Tagesordnung“, schrieb er dieser Tage erneut an die Fraktionen des Landtags. Im Land heiße es inzwischen, in Ludwigsburg lerne man, „wie Verwaltung nicht geht“.

Kröber appellierte an die Abgeordneten, einen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen einzurichten. Dieser müsse sich auch mit dem „durchschaubaren Spiel“ von Ministerin Bauer beschäftigen. Beim „klammheimlichen“ Austausch der Dekane gebe es keine Aufklärung, rügte der Ex-Student: „Wieder wird alles vertuscht und unter den Teppich gekehrt.“ So hätten die „intriganten Dekane“ ebenso wie Professoren, gegen die nun ermittelt werde, an der Abwahl der früheren Professorin Stöckle mitgewirkt. Diese habe „wohl zu viel Unangenehmes ans Tageslicht gebracht“.

Der Landeschef der Deutschen Steuergewerkschaft, Markus Scholl, zeigte sich „sehr unglücklich“, dass die Hochschule ins Visier der Justiz geraten sei. „Dies wäre sicher vermeidbar gewesen, wenn solide, seriös und vor allem rechtssicher gehandelt worden wäre“, sagte er unserer Zeitung. Der früheren Rektorin Stöckle mache er dabei keinen Vorwurf. Er hoffe, dass die Ermittlungen und sich möglicherweise anschließende Prozesse rasch abgeschlossen würden. Der Ruf der Hochschule dürfe „nicht weiter beschädigt werden“, es müsse dringend wieder Ruhe einkehren.

Nach Ansicht Scholls muss die Ausbildung der Finanzbeamten „wieder zurück unter das Dach des Finanzministeriums“. Für einen solchen Ressortwechsel sei „der jetzige Zeitpunkt ideal“. Wenn das Finanzressort wieder den direkten Zugriff auf die Hochschule habe, könne den Interessen der Steuerverwaltung schneller und effizienter Rechnung getragen werden. Die neue Finanzministerin Sitzmann hatte kürzlich gesagt, sie habe sich damit noch nicht näher beschäftigt, werde sich aber von ihrem Haus informieren lassen.