Wenn Vereinsbosse in der Bundesliga unter Druck stehen, wollen sie an ihre einstigen Wunschtrainer nicht mehr erinnert werden.  

Stuttgart - Die zupackende Art, mit der die Bundesliga dieser Tage ihre berühmtesten Trainer einen Kopf kürzer macht, hat ihren Ursprung in einem zweitklassigen Auftritt anno 1999 - damals stürmte Jean Löring, der Präsident von Fortuna Köln, aufgrund eines 0:2-Rückstands gegen Waldhof Mannheim in die Kabine und unterbrach die Halbzeitansprache seines Trainers Toni Schumacher mit den Worten: "Raus hier, du hast hier nichts mehr zu sagen!"

 

Gefühlte zwei Promille sollen ihm das Machtwort erleichtert haben.

Heute machen die Bosse so etwas nüchtern, fragen Sie Louis van Gaal oder Felix Magath. Spätestens im Sommer dürfen die sich beim FC Bayern beziehungsweise auf Schalke nicht mehr blicken lassen, denn die Vorstände, Aufsichtsräte, Sportdirektoren und was es sonst noch alles so gibt an Entscheidungsträgern haben dort zu Gericht gesessen und ihr vernichtendes Abschlusszeugnis gesprochen: Sechs, setzen.

Ein Typ à la Klopp soll her

Das Beneidenswerte an vielen Vereinsführern ist, dass sie sich unter Druck nur ungern verzetteln mit selbstquälerischen Überlegungen wie etwa der, dass das ja ihre ehemaligen, mit allen Vorschusslorbeeren auf roten Teppichen empfangenen Wunschtrainer sind, denen sie da plötzlich die Ehre abschneiden oder gar halbwegs die Kompetenz absprechen - stattdessen demonstrieren sie in wilder Entschlossenheit ihre ungebrochene Handlungsfähigkeit, machen den Trainer zur Minna und lenken damit ab von der gefürchteten Frage: Haben sie selbst eigentlich auch ein Konzept?

Vor allem Schalke wuselt es wie im Käfig voller Narren. Da liest Magath am Morgen des wichtigsten Spiels in der Zeitung, dass sie ihn rausschmeißen, spätestens im Sommer, aber lieber schon gleich. Irgendwie hat er gegen Valencia dann trotzdem gewonnen und steht jetzt im Viertelfinale der Champions League und im DFB-Pokalendspiel - aber der Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, ein Wurstfabrikant, spricht von einem "verlorenen Jahr". Außerdem bezichtigt er Magath des "unmenschlichen Umgangs" und vergisst ganz, dass er diesen allmächtigen Aufräumer einst genau so gewollt hat, also einen, der den Laden im Griff hat und sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Tönnies wusste, wie machtbewusst, menschenschinderisch und medienmürrisch dieser Meistermacher sein kann und dass der Magath nur auf den Felix hört. Aber in zwei Jahren macht der uns wie Wolfsburg zum Meister, freuten sich die Schalker - das nun wird Dortmund, der schwarzgelbe Albtraum, und im emotionalen Ausnahmezustand soll nach dem Sündenbock Magath künftig ein Typ Õ la Klopp her, jung, medientauglich, ein Mensch.

Aber zerreißen wir uns nicht länger das Maul über den Irrgarten Schalke, reden wir lieber über die Konzepte des FC Bayern, die sich mit dem Konzept von Louis van Gaal nicht mehr decken. Es ist gelaufen wie immer. Jeder Bayern-Trainer, der kommt, ist erst der beste der Welt. So war es schon bei Udo Lattek. Der gewann den Europacup der Landesmeister und sagte, als es kurz mal kriselte, zum Präsidenten Neudecker: "Hier muss sich was ändern." "Ist gut", antwortete Neudecker, "Sie sind entlassen."

"Geht's raus und spielt's"

Dettmar Cramer war der Nächste. Er gewann zwei weitere Landesmeisterpokale und wurde gefeiert als Philosoph, die Intellektuellen hingen an seinen Lippen, fasziniert von seinen Bonmots, Bibelsprüchen und Goethe-Zitaten - doch später hat der Kapitän Beckenbauer über Cramers Mannschaftssitzungen erzählt: "Es dauerte keine zehn Minuten, dann war der Sauerstoff verbraucht. Als Erster schlief Sepp Maier ein, weitere folgten."

Erst als Messias gefeiert, dann als Sargnagel gefeuert, so erging es auch Otto Rehhagel. Die Bayern begrüßten fasziniert ihren Erfolgs-Otto und Philosophen-Otto, der so tolle Dinge sagte wie: "Wir sind immer auf der Suche nach der endgültigen Wahrheit, finden sie aber nie." Als er sie auch in München nicht fand, ersetzte ihn über Nacht der Beckenbauer. "Geht's raus und spielt's", sagte der Franz vor dem Anpfiff.

Ein Konzept brachte dann umso mehr wieder Giovanni Trapattoni mit, es hat - "Flasche leer!" - nur keiner kapiert, und am Ende waren alle froh, als Ottmar Hitzfeld kam. Als Guru hat er den Bayern die Champions League gewonnen, aber ohne Rücksicht auf Olli Kahn ("Es wäre Idiotie, sich zu trennen") hat man sich an einem weniger guten Tag dann getrennt, um Felix Magath zu holen. Als der nur zweimal das Double gewann, musste er zur Strafe wieder für Hitzfeld weichen. Als Mathematiklehrer, frohlockten die Bayern, lässt der Ottmar jede Rechnung aufgehen - aber dann hat er doch gelegentlich verloren, und der Vorstandsvorsitzende Rummenigge meckerte: "Fußball ist keine Mathematik."

Der Greis unter den Trainern der Liga

Also Klinsmann. Der wurde als Visionär mit allen Vorschusslorbeeren bedacht und gefeiert als Verfechter des blitzschnellen Passfußballs sowie für sein Konzept des Offensivfußballs. Aber so offensiv? Weg war er, und anschließend knieten alle vor Louis van Gaal nieder, diesem Missionar aus der holländischen Fußballschule. Man hat ihn angebetet und vergangenen September begeistert seinen Vertrag verlängert - ehe der Präsident Hoeneß der staunenden Fußballwelt über Nacht mit dem Holzhammer beibrachte, dass dieser sture Bock nicht mehr auszuhalten ist und er, der Uli, eigentlich schon 2008 den jungen Klopp zu den Bayern holen wollte.

Im Moment allerdings will er für die neue Saison eher Jupp Heynckes - also den Greis unter den Trainern der Liga. Womit wir noch mal kurz zu den Schalkern kommen, denn die ticken ähnlich geschmeidig: Nach dem Zuchtmeister Magath muss dort jetzt ein junger Moderner wie Klopp her - aber am liebsten soll erst einmal der 72-jährige Rehhagel die Dinge richten.

So hat jeder Clubboss sein scharfes Konzept - genau wie Jean Löring, der damals nach dem Halbzeitrauswurf seines Trainers Schumacher bei einem Weinbrand in der Vereinsgaststätte seinen Durst vollends löschte und sagte: "Ich musste ja was tun."