Ein Ratsbeschluss muss wiederholt werden, weil ein Stadtrat bei der ersten Abstimmung befangen war. Bei der Wiederholung ziehen sich plötzlich zwei weitere Räte als befangen zurück.

Ditzingen - Der Stadtrat, um den es eigentlich ging, war gar nicht da. Er hätte sich vermutlich die eine oder andere spöttische Bemerkung anhören müssen. So war es allerdings auch nicht besser. Relativ unverhohlen merkte mancher seiner Ratskollegen an, er habe wohl im entscheidenden Moment geschlafen, als er über das Baugebiet „Ob dem Korntaler Weg“ abstimmte, obwohl er das gar nicht hätte dürfen. Nicht ausgeschlossen nämlich, dass er bei der Entscheidung über die Grundstücke ein persönliches Interesse an dem Beschluss haben würde. Die Gemeindeordnung regelt dies eindeutig.

 

Der Stadtrat hat jedenfalls trotz des zweimaligen Hinweises des Oberbürgermeisters auf Befangenheiten mit abgestimmt. Und weil er seine Hand gehoben hat, ist der Beschluss rechtswidrig. „Ich musste widersprechen“, erklärte der Oberbürgermeister Michael Makurath das formale Vorgehen in solch’ einem Fall. Sein Einschreiten hatte zur Folge, dass der Gemeinderat knapp zwei Wochen später erneut über den Bebauungsplan „Ob dem Korntaler Weg“ beschließen musste. Konkret ging es um die Festlegung der Umlegungs- und Erschließungsbedingungen. Inhaltlich gab es zu diesem Zeitpunkt nichts mehr zu diskutieren.

Weitere Befangenheiten

„Eine Wiederholung“, so Makurath, erfolge nun „nur im Kreis derer, die unbeteiligt sind“. Neben dem ohnehin befangenen, nunmehr abwesenden Rat, rückten nun aber auch der CDU-Rat Sven Sautter und dessen Mutter, die Grünen-Rätin Ulrike Sautter vom Sitzungstisch ab. Sven Sautter war zwar in der ersten Sitzung Anfang Februar gar nicht anwesend. Aber „sensibilisiert durch die Sache“, wie er es formuliert, befasste er sich eingehender mit der Thematik. Er besitzt zwar in dem Baugebiet ebenso wenig Grundstücke wie seine Mutter – was stets der naheliegende Grund für eine Befangenheit ist. Doch er ist Aufsichtsratsmitglied der Volksbank Strohgäu.

Selbst in diesem Fall ist die Gemeindeordnung eindeutig: Befangenheit sei bei jenen Personen und deren bis zum dritten Grad direkten Verwandten gegeben, die „Gesellschafter einer Handelsgesellschaft oder Mitglied des Vorstands, des Aufsichtsrats oder eines gleichartigen Organs eines rechtlich selbstständigen Unternehmens sind, denen die Entscheidung der Angelegenheit einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann.“

Stadtrat muss die Situation klären

Dabei obliegt es dem Stadtrat, seine mögliche Befangenheit zu klären. „Es ist nicht die Aufgabe der Verwaltung, sondern des ehrenamtlich Tätigen“, stellte Makurath klar. Das Aufsichtsratsmitglied Sven Sautter muss sich also bei der Volksbank erkundigen, ob diese dort Grundstücke besitzt. Einfacher ist es für Sautter, wenn die Bank während seiner Aufsichtsratstätigkeit Grundstücksgeschäfte tätigt. Laut ihrer Satzung „muss der Aufsichtsrat bei Grundstücksgeschäften mitwirken“, sagt der Vorstandsvorsitzender Elmar Braunstein.

Inhaltlich änderte sich an dem Beschluss freilich durch die wiederholte Abstimmung nichts. Das Thema war in öffentlicher Sitzung nicht mehr strittig.

Das Baugebiet wird über ein Nahwärmenetz mit Wärme versorgt, die Energieversorgung ist mit Gas geplant.

Befangenheit und ihre Folgen

In vielen Gremien, die mit gewählten Personen besetzt sind, darf ein Mitglied an Beratungen und Abstimmungen zum Thema nicht teilnehmen, wenn es als befangen gilt. Die persönlichen Interessen könnten etwa im Gemeinderat mit den Interessen der von ihm zu vertretenden Allgemeinheit, also dem Gemeinwohl kollidieren. Stimmt ein befangenes Mitglied dennoch ab, kann das zur Ungültigkeit des Beschlusses führen. Der Beschluss muss dann erneut gefasst werden – natürlich ohne den Befangenen.


Die Befangenheit ist in der Gemeindeordnung geregelt. In Paragraf 18 heißt es: „ Der ehrenamtlich tätige Bürger darf weder beratend noch entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit ihm selbst .... einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann.“ Allerdings ist nicht nur er selbst angesprochen: Der Stadtrat ist auch dann befangen, wenn seine Verwandten betroffen sind, wenn er bei jemandem gegen Entgelt beschäftigt ist, der einen Vor- oder Nachteil durch den Beschluss hat, oder er Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats eines rechtlich selbstständigen Unternehmens ist, dem der Beschluss einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann.