Reportage: Frank Buchmeier (buc)

"Ich freue mich über Ihren Anruf", sagt Rudolf Müller, 58, Leiter des Veterinärwesens im Wetteraukreis, es sei ihm nämlich wichtig, einiges klarzustellen. Erstens: "Ich kenne den Daniel Renz seit zwanzig Jahren, der ist vielleicht ein Schlitzohr, aber gewiss kein Tierquäler." Zweitens: "Renz gibt die Bären freiwillig ab, weil wir ihn davon überzeugen konnten, dass sie aus heutiger wissenschaftlicher Sicht nicht in einen Zirkus gehören." Drittens: "Sie müssen die lange Tradition seiner Familie betrachten, um diesem Mann gerecht zu werden."

 

Das Zirkusunternehmen Renz gibt es seit 1842, schon immer gehörte es zu den Großen seiner Zunft. Es gibt sogar einen Abenteuerfilm mit dem Titel "Zirkus Renz", der 1943 die Deutschen für neunzig Minuten vom Weltkrieg ablenkte. Daniel Renz gehört zur x-ten Generation der Dynastie, er ist mit Wildtieren aufgewachsen. Die Geschäfte laufen noch immer gut. Mit seiner Tigernummer lockt Renz regelmäßig bis zu zweitausend Menschen in sein Zelt. Kürzlich trat er mit seiner Elefantendame Maja bei Florian Silbereisens "Herbstfest der Volksmusik" auf. Daniel Renz ist in seinem Gewerbe ein toller Hecht. Aber ohne seine Tiere wäre er womöglich nur ein kleiner Fisch.

Im vergangenen Jahr erlebte Daniel Renz seinen persönlichen GAU: Bei einem Gastspiel in Kassel brach eine Bärin aus. Nena fiel einen Polizisten an und wurde von dem schwer verletzten Beamten erschossen. In der Lokalzeitung erschien ein Foto, dass Renz zeigt, wie er das tote Tier streichelt. Vor Gericht kam der Zirkusdirektor glimpflich davon: 1000 Euro Geldbuße. Dennoch ist klar, dass Daniel Renz sich eine solche blutige Panne nicht noch einmal leisten darf. Vielleicht hat ihn der Vorfall in seinem Entschluss bestärkt, sich von seinen letzten beiden Bärinnen zu trennen. Leicht fällt ihm der Abschied nicht.

Das schwarze Schaf der deutschen Tierschützer

Man könnte Katja und Petra einfach narkotisieren und in die Transportboxen schleppen. Doch Renz lehnt die Betäubungsspritzen ab. "Ich bekomme die Tiere auch so da rein", sagt er. Katja folgt ihm relativ schnell ins Unbekannte, doch Petra gibt sich störrisch wie ein Maulesel. Sie will partout nicht in die Kiste rein, die nach fremden Bären riecht. "Sind wir blöd", sagt Renz. "Wir hätten die Tiere dort vorher anbinden sollen, damit sie sich an das Ding gewöhnen." Jetzt hilft nur noch sanfte Gewalt. Renz zieht an der Leine, Sohn und Neffe schieben Katjas Bärenhintern. Schließlich sind der Zirkusdirektor und das Raubtier auf zwei Quadratmetern eingesperrt. Kurz das Gitter hoch, Renz springt raus. Reinfassen, Halsbänder und Maulkörbe abschnallen. Alles gut gegangen.

Rüdiger Schmiedel, der Alphamann in der vierköpfigen Tierschützergruppe, entgegnet: Es ist ein Fehler, dass Menschen glauben, dass sie über den Tieren stehen. Vielmehr ist jedes Wesen unser Partner. Wir leben nicht mehr im Mittelalter, kippen unsere Fäkalien nicht in die Gosse, und es gehört sich auch längst nicht mehr, Bären in Zirkussen zu halten. Die Bärinnen hatten bisher kein natürliches Leben, ihre Instinkte haben sie verloren. Nun sind Katja und Petra gar keine Wildtiere mehr, sondern eher Schoßhündchen. Das wird sich in dem zehn Hektar großen Alternativen Bärenpark im Schwarzwald ändern. Dort werden Katja und Petra resozialisiert und sich zu stolzen Repräsentantinnen ihrer Spezies entwickeln. In dem Refugium bei Bad Rippoldsau können sich die Pelzkreaturen an Fichten reiben, von Büschen naschen, in Höhlen dösen und im Bach planschen. Was normale Bären halt so tun.

Die Amtstierärztin kommt in einem weißen Geländewagen angefegt. Cerstin Blaß ist eine zierliche, junge Frau. "Ich möchte, dass Sie bestätigen, dass ich die Tiere vollkommen gesund abgebe", sagt Daniel Renz. "Aber sicher, Herr Renz", antwortet Blaß. Zu Details dürfe sie sich allerdings nicht vor Publikum äußern, man wisse ja, wie streng die Öffentlichkeitsarbeit beim Regierungspräsidium geregelt sei: Der Dienstweg müsse eingehalten werden. Sie bitte daher, sich unverzüglich mit ihrem Vorgesetzten in Verbindung zu setzen.

Die Geschäfte laufen noch immer gut

"Ich freue mich über Ihren Anruf", sagt Rudolf Müller, 58, Leiter des Veterinärwesens im Wetteraukreis, es sei ihm nämlich wichtig, einiges klarzustellen. Erstens: "Ich kenne den Daniel Renz seit zwanzig Jahren, der ist vielleicht ein Schlitzohr, aber gewiss kein Tierquäler." Zweitens: "Renz gibt die Bären freiwillig ab, weil wir ihn davon überzeugen konnten, dass sie aus heutiger wissenschaftlicher Sicht nicht in einen Zirkus gehören." Drittens: "Sie müssen die lange Tradition seiner Familie betrachten, um diesem Mann gerecht zu werden."

Das Zirkusunternehmen Renz gibt es seit 1842, schon immer gehörte es zu den Großen seiner Zunft. Es gibt sogar einen Abenteuerfilm mit dem Titel "Zirkus Renz", der 1943 die Deutschen für neunzig Minuten vom Weltkrieg ablenkte. Daniel Renz gehört zur x-ten Generation der Dynastie, er ist mit Wildtieren aufgewachsen. Die Geschäfte laufen noch immer gut. Mit seiner Tigernummer lockt Renz regelmäßig bis zu zweitausend Menschen in sein Zelt. Kürzlich trat er mit seiner Elefantendame Maja bei Florian Silbereisens "Herbstfest der Volksmusik" auf. Daniel Renz ist in seinem Gewerbe ein toller Hecht. Aber ohne seine Tiere wäre er womöglich nur ein kleiner Fisch.

Im vergangenen Jahr erlebte Daniel Renz seinen persönlichen GAU: Bei einem Gastspiel in Kassel brach eine Bärin aus. Nena fiel einen Polizisten an und wurde von dem schwer verletzten Beamten erschossen. In der Lokalzeitung erschien ein Foto, dass Renz zeigt, wie er das tote Tier streichelt. Vor Gericht kam der Zirkusdirektor glimpflich davon: 1000 Euro Geldbuße. Dennoch ist klar, dass Daniel Renz sich eine solche blutige Panne nicht noch einmal leisten darf. Vielleicht hat ihn der Vorfall in seinem Entschluss bestärkt, sich von seinen letzten beiden Bärinnen zu trennen. Leicht fällt ihm der Abschied nicht.

Das schwarze Schaf der deutschen Tierschützer

Man könnte Katja und Petra einfach narkotisieren und in die Transportboxen schleppen. Doch Renz lehnt die Betäubungsspritzen ab. "Ich bekomme die Tiere auch so da rein", sagt er. Katja folgt ihm relativ schnell ins Unbekannte, doch Petra gibt sich störrisch wie ein Maulesel. Sie will partout nicht in die Kiste rein, die nach fremden Bären riecht. "Sind wir blöd", sagt Renz. "Wir hätten die Tiere dort vorher anbinden sollen, damit sie sich an das Ding gewöhnen." Jetzt hilft nur noch sanfte Gewalt. Renz zieht an der Leine, Sohn und Neffe schieben Katjas Bärenhintern. Schließlich sind der Zirkusdirektor und das Raubtier auf zwei Quadratmetern eingesperrt. Kurz das Gitter hoch, Renz springt raus. Reinfassen, Halsbänder und Maulkörbe abschnallen. Alles gut gegangen.

An den Hänger wird mit Draht ein Schild befestigt: "Achtung, lebende Tiere! Bärentransport." Los geht's in Richtung A 5. Die Stimmung an Bord ist gelöst, Rüdiger Schmiedel will kurz mal seiner Frau von der Heldentat berichten. "Eine der einfachsten Übergaben, die ich je gemacht habe", ruft er in sein iPhone. "Die Bären waren beim Einladen etwas zickig, aber das ist normal. Daniel Renz ist selbst in die Box geklettert. Ging dann."

Wie der Bärendompteur Renz lebt auch der Bärenretter Schmiedel von seinen Wildtieren. Schmiedel machte eine Lehre als Zootechniker in Halle und bildete anschließend in Sonneberg Wachhunde für die DDR-Grenztruppe aus. Wenige Tage vor der Wiedervereinigung heuerte er beim Deutschen Tierhilfswerk mit Sitz in Augsburg an. Dessen Chef, Wolfgang Ullrich, wurde im April 2003 vom Landgericht München zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Das schwärzeste Schaf in der bunten Herde der deutschen Tierschützer hatte etwa 27 Millionen Euro Spendengelder veruntreut und sich davon unter anderem einen Ferrari und eine Luxusvilla in Thailand gekauft.

Einheimische packten mit an

Für Rüdiger Schmiedel war die dubiose Organisation ein Karrieresprungbrett. 1996 schickte Ullrich seinen "Koordinator für Tierschutz" nach Thüringen, um einen heruntergekommenen Zoo in den Alternativen Bärenpark Worbis zu verwandeln. Als der Spendenskandal aufflog, wurde Schmiedel neuer Geschäftsführer des Tierhilfswerks. Wenig später wurde ihm gekündigt. Schmiedel gründete daraufhin die Stiftung für Bären.

Neben Worbis hat der gelernte Zootechniker im vergangenen Jahr ein zweites Wildtierasyl geschaffen, diesmal im Südwesten der Republik. Der Wolf- und Bärenpark Schwarzwald wurde durch die Europäische Union gesponsert. Die Fördergelder reichten für einen Schotterparkplatz, Toiletten, ein Kassenhäuschen sowie ein Multifunktionsgebäude. Und das auch nur, weil zahlreiche Einheimische unentgeltlich mit anpackten. Vier Bären und drei Wölfe tummeln sich bis jetzt hinter den hohen Zäunen. Der laufende Betrieb wird durch Privatspenden und Eintrittsgelder finanziert. Der Geschäftsführer Schmiedel ist inzwischen von Augsburg nach Freudenstadt gezogen und hat seine Ehefrau als Sekretärin engagiert.

Auf dem Weg von Hessen in den Schwarzwald, mit seinen neuen Bärinnen Katja und Petra im Gepäck, kommt Schmiedel voll in Fahrt. Er erzählt, wie engagiert er seit der Wiedervereinigung gegen den Missbrauch von Tieren ankämpfe. Sogar in Paris war er mal, um gegen einen französischen Kosmetikkonzern zu protestieren. "Wir Menschen dürfen uns die Tiere nicht zum Untertan machen", sagt Schmiedel. Im nächsten Moment schwärmt er von seiner Zeit als DDR-Grenzoffizier, wo er Schäferhunde züchtete, "um Menschenmaterial zu sparen". Einerseits gibt er in seinem Gehege sogar dem erblindeten Bären Schapi die Chance auf einen friedlichen Lebensabend. Anderseits meint er: "Bevor ein Hund im Tierheim landet, sollte man ihn lieber einschläfern."

Ob die Bären glücklich sind, erfährt kein Mensch

Schmiedels iPhone piept. Daniel Renz ist dran. Der Zirkusdirektor hat gerade auf der Homepage der Stiftung für Bären die Pressemitteilung entdeckt, in der unter anderem behauptet wird, Katja und Petra litten unter "unangenehmem Juckreiz und angespannter Nervosität". Renz ist sauer. "Wir werden das korrigieren, Herr Renz", flötet Schmiedel. "Ich möchte betonen, dass die Übergabe der Tiere in einer angenehmen Atmosphäre stattfand. So werden wir das auch nach außen kommunizieren."

Es ist später Nachmittag, als der silberne BMW X6 den steilen Kiesweg zum Bärenpark erklimmt. Oben warten die Ehrenamtlichen seit Stunden ungeduldig, sie haben Bienenstich gebacken und Kaffee aufgebrüht. Auf einem Tisch liegt eine Unterschriftenliste aus: "Gegen Tierquälerei im Zirkus!" Daneben sind Andenken drapiert, welche die Parkbesucher käuflich erwerben können. Ein Likör namens "Bärenfurz", 40 Milliliter zu zwei Euro. Oder eine Tasse mit einem Foto von Jurka für fünf Euro. Die Mutter des vor fünf Jahren erschossenen Jungbären Bruno hat im Schwarzwald einen Alterssitz gefunden, nachdem sie von den italienischen Behörden als gefährlich eingestuft worden war: Jurka wagte sich zu nah an menschliche Siedlungen heran und wurde deshalb im Trentino eingesperrt. Schmiedel hat sie aus der Einzelhaft befreit.

Nun schaut Jurka sich das große Schauspiel aus gebührender Entfernung an. Sechs Männer wuchten die schweren Holzboxen vom Anhänger und stellen sie vor die Zwinger. Rüdiger Schmiedel erteilt sämtliche Kommandos. Das Gitter geht hoch, und die Bärinnen stürzen sich auf den leichten Imbiss, der für sie vorbereitet wurde - Ananas, Möhren und grüner Salat. Zirkusbären sind nach langen Autofahrten besonders hungrig.

In ein paar Tagen werden Katja und Petra in ein anderthalb Hektar großes Freigehege entlassen. Ihr Lebensraum wird von einem 7000-Volt-Elektrozaun begrenzt. Ob sie glücklich sind, erfährt kein Mensch. Bären sehen immer lieb aus. Aber ihre Gefühle bleiben verborgen.