Die Sonnenbergerin Heidi Sand will im Frühjahr den höchsten Berg der Welt besteigen. Ein Unterfangen, das sie mit einer gehörigen Portion Respekt angeht.

Sonnenberg - Alle habe es schon vor ihr gewusst. „Das war nur eine Frage der Zeit“, bekam Heidi Sand zu hören, als sie den Plan fasste, den 8848 Meter hohen Mount Everest zu erklimmen. Auch ihre Kinder waren nicht sonderlich überrascht darüber, dass ihre Mutter wieder die Bergsteigerausrüstung aus dem Schrank holen wollte. Erst im Herbst vergangenen Jahres hatte die 45-Jährige den etwa 8200 Meter hohen Cho Oyu ins Visier genommen. Damals verhinderten Sturm und Schnee den Gipfelsturm. Auf der Tour lernte sie zwei Amerikaner kennen. Als die nun via Internetplattform Facebook kundtaten, dass sie auf den Mount Everest wollten, juckte es die Sonnenbergerin wieder in den Beinen: „Der Drang ist unglaublich.“

 

Dieses Mal wird Sand von ihrem Ehemann Arne und ihrer Trainingspartnerin Sylvie Kühnemann begleitet – aber nur bis ins auf 5200 Meter gelegene Basislager. Während sich ihre Begleiter dann wieder auf den Heimweg machen, will Sand den Berggiganten bezwingen. Im Frühjahr sind die Chancen für den erfolgreichen Gipfelsturm am größten. „Jeder fünfte Aspirant schafft es“, sagt Sand. Das Zeitfenster ist eng: „An fünf Tagen muss alles passen.“

Laufen, laufen, laufen als Vorbereitung

Der Weg nach oben hat es in sich. Schon auf der Etappe zum ersten Camp gilt es den Khumbu-Eisfall zu meistern, eine riesige Gletscherspalte, über die Metallleitern führen. Auf die passionierte Bergsteigerin, die 2010 den höchsten Berg Nordamerikas bestieg, wartet auch die Lhotse-Flanke, eine 60 Grad steile Eiswand. Vor dem eigentlichen Gipfel muss dann noch der Hillary Step überwunden werden, eine senkrechte Felsstufe. „Das kostet eine immense Kraftanstrengung“, sagt Sand. Die Sonnenbergerin bereitet sich akribisch auf die Tour vor. Körperlich muss sie topfit sein. „Laufen, laufen, laufen“, heißen da die Zauberworte. Klettern und Touren im Berner Oberland standen bereits auf dem Programm. Mental bereitet sich Sand gezielt auf den Aufstieg vor, führt der Weg doch an verunglückten Bergsteigern vorbei, die es nicht zurück ins Basislager schafften. Auch unterwegs kann viel passieren, dann gilt es, die Nerven zu bewahren.

Heidi Sand hat viel gelesen über den höchsten Berg der Welt, der viel Stoff für Legenden und Geschichten bietet. Sie hat sich für die Originalroute entschieden, die im Jahr 1953 die Erstbesteiger Edmund Hillary und Tenzing Norgay nahmen. Dabei hat sie herausgefunden, dass erst zwei deutsche Frauen auf dem Gipfel des Mount Everest standen, keine der beiden nahm die Originalroute.

„Ich will wieder zurückkommen“

Mit einer gehörigen Portion Respekt geht Sand an die Aufgabe heran: „Ich bin da schon ein bisschen nervös.“ Bei ihren früheren Expeditionen sei es immer noch ein wenig höher hinauf gegangen: „Auf dem Gipfel des Mount Everest wäre über mir nur noch der Himmel.“ Doch auch wenn sie überglücklich wäre, falls sie gleich im ersten Anlauf den höchsten Berg der Welt schafft, übers Knie brechen will sie nichts: „Ich will wieder zurückkommen.“

Einige Wochen auf Kind und Ehemann zu verzichten, das fällt Sand schwer: „Ich werde sie natürlich vermissen.“ Ihre Kinder, 20, 18 und 17 Jahre alt, haben ihr einen Auftrag gegeben. Sie soll mit einer Helmkamera Bilder vom Khumbu-Eisfall mitbringen. Über ihr Hobby hält Sand, die vor anderthalb Jahren die Diagnose Krebs erhielt, auch Vorträge – demnächst in Köln. Der Titel lautet: „Rückschläge bewältigen, Gipfel erklimmen.“

Auch wenn sie es gleich beim ersten Versuch auf den Mount Everest schaffen sollte, wird sie nicht von ihrer Leidenschaft lassen. Auf ihrer Liste stehen weitere Steinriesen wie der Ama Dablam (6856 Meter) oder der Khan Tengri (7010 Meter): „Wichtig ist, dass es schöne Berge sind. Die Höhe ist nicht so entscheidend.“