Ganz unauffällig hat die Bergung der Costa Concordia begonnen – ein kompliziertes und extrem teures Unterfangen. Bis Februar 2013 soll die Küste vor der toskanischen Insel Giglio so heil aussehen wie früher.

Giglio - Sie arbeiten, aber man sieht nichts. Vor dem riesigen Wrack der Costa Concordia, das nun schon seit fünf Monaten auf den ockerfarbenen Granitklippen der toskanischen Insel Giglio liegt, fahren immer nur kleine Boote auf und ab. Keine Spur von jener gewaltigen Maschinerie, wie sie für die größte Schiffsbergung aller Zeiten zu erwarten wäre.

 

„Keine Sorge, wir sind im Zeitplan“, sagt die Genueser Kreuzfahrtreederei Costa. „Unerlässliche technische Inspektionen zur Vorbereitung der Arbeiten“ seien derzeit im Gang, sagte ein Sprecher am Freitag. Und Silvio Bartolotti, der Manager der italienischen Firma Micoperi, die auf Ölplattformen und Unterwasserbauten spezialisiert ist, meinte kürzlich gar, man werde die Bergung „viel schneller abschließen können, als der Zeitplan es vorsieht“, also deutlich vor Februar 2013.

Eine kleine US-Firma hat sich den riesigen Auftrag geangelt

Micoperi und das mit 60 Mitarbeitern vergleichsweise kleine amerikanische Bergungsunternehmen Titan-Salvage haben sich unter insgesamt sechs Bewerbern den 300 Millionen Euro schweren Auftrag geangelt. Eine derart „zyklopische Arbeit“ (Costa) hat es auf den Weltmeeren noch nie gegeben. Gewiss, es wurden schon Öltanker von der Länge der Concordia, die 290 Meter lang ist, wieder aufgerichtet, aber als leere Stahlhülle waren sie viel leichter als das innen voll gebaute und 44 600 Tonnen schwere Kreuzfahrtschiff. Und viel flacher. Die Concordia ragt 61,5 Meter über die Wasseroberfläche, da sind zum Aufrichten ganz andere Hebelkräfte nötig.

Die größten Schlepper der Welt, so sagten Fachleute gleich nach dem Unglück am 13. Januar, wären bei der Costa Concordia machtlos. Man könnte das Schiff vor Ort zerlegen. Das wäre auch deutlich billiger als der nun beschlossene Plan. Man will es aber nicht: Die Umweltbelastung für die Touristeninsel Giglio gilt als unzumutbar.

Der Plan ist bis ins Detail ausgeklügelt – theoretisch

Titan und Micoperi haben nun eine Lösung ersonnen, die auf ein Zusammenspiel von Wasserkraft und Luft, Hydraulik und Schwimmkränen baut. Zuerst – nach dem Plan bis 31. August – muss das Schiff gegen das Abrutschen in tiefere Meereszonen gesichert werden. Landseitig werden dazu, aufgereiht wie eine Palisade, 60 Betonpfähle in den granitenen, sehr harten Meeresboden gesenkt. Stahlseile, deren Längen hydraulisch verstellbar sind, und unter dem Kiel festgeschweißte Stahlbänder sollen das Wrack halten.

Meerseitig wiederum, in gut 20 Meter Tiefe, wird eine Plattform aus Stahlrohren errichtet. Sie soll der Costa Concordia beim Aufrichten Halt geben. An dieser Konstruktion verankern sich auch Hydraulikheber und jene Kräne, die das derzeit auf der rechten Seite liegende Schiff im Januar in die Vertikale ziehen sollen.

Zusätzlich, um alle für diesen Schwenk nötigen Kräfte aufzubringen, bekommt das Schiff an seine freiliegende linke Flanke riesige Stahlkästen geschweißt – auf fast der ganzen Länge. Mit Wasser gefüllt, sollen sie mit ihrem Gewicht die Arbeit der Kräne und der Hydraulikstempel unterstützen. Einmal in der Vertikale – sofern die Costa Concordia in der entscheidenden Minute kein Übergewicht bekommt und meerseitig abkippt – wird das Schiff auch rechtsseitig mit Stahlkästen garniert. Nachdem das Wasser aus ihnen herausgepumpt ist, funktionieren die Kästen als Schwimmreifen. Die Concordia hebt sich vom Grund und kann zum Abwracken in einen Hafen geschleppt werden.

Zuerst wird der 70 Meter lange Riss im Rumpf geflickt

So weit der Plan, so weit die Theorie. Zu ergänzen wäre noch, dass Micoperi und Titan zu Anfang der Arbeiten jenen 70 Meter langen Riss im Rumpf schließen wollen, den sich die Costa Concordia bei ihrer Kollision mit den messerscharfen Klippen der Küste zugezogen hat. Ob das voll gelaufene Schiff leergepumpt werden muss und was dann mit dem extrem verschmutzten Abwasser geschähe, ist offen.

Kritiker warnen, der durch die seitliche Lagerung schon jetzt verformte Rumpf der Concordia könnte zerbrechen, wenn dann auch noch wassergefüllte Stahlkästen und hart zupackende Kräne an ihm zerren. Für dergleichen sei statisch kein Schiff gebaut. Das wäre in der Tat der GAU, der größte anzunehmende Unfall bei diesem Unternehmen. Der Micoperi-Manager Bartolotti indes entgegnet dem knapp: „Wir sind sicher, dass wir es schaffen.“

Nur die Fische müssen von selbst zurückfinden

Versprochen ist auch, dass die Küste vor Giglio zur Sommersaison 2013 wieder so aussieht, als wäre nichts gewesen. Schon während der großen Bautätigkeit diesen Sommer und diesen Herbst soll der Tourismus nicht beeinträchtigt werden. Die Arbeiter werden auf Giglio keine Hotelbetten belegen, sondern auf Schiffen schlafen und essen, und die große Maschinerie wird vom Festland nur an den Tagen herüberschippern, an denen sie gebraucht wird.

Sobald das Wrack weg ist, sollen die Betonpfeiler am Meeresgrund abgeschnitten und mit der Stahlplattform restlos entfernt werden. Meeresgärtner wollen zum Schluss sogar das zwangsläufig zertrampelte, ökologisch wertvolle Seegras wieder anpflanzen und die Korallen dazu. Nur von den Fischen ist nicht die Rede. Die müssen wohl von selbst wieder zurückfinden.