Die Tagespflege ist mittlerweile für viele Eltern erschwinglich. Doch nun häufen sich die Klagen der Betreuungskräfte.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Seit dem 1. Januar klingeln die Telefone der Tagesmüttervermittlungsstellen permanent. „Unsere Beratungsarbeit ist exorbitant gestiegen“, sagt der Geschäftsführer des Vereins Tagesmütter und Pflegeeltern Stuttgart, Michael Weiße. Auch bei der Tagesmütter-Börse der Caritas sind die Sprechzeiten „rappelvoll“, sagt die Teamleiterin Sigrid Stein. Inzwischen hat sich bei den Eltern herumgesprochen, dass die Stadt die Bezahlung der Tagespflege neu geregelt hat – das macht diese Betreuungsform für viele erschwinglich. 1,4 Millionen Euro investiert die Stadt in den Ausbau der Kindertagespflege.

 

Fielen bei einer Vollzeitstelle früher oft sogar 1000 Euro im Monat für eine Tagesmutter an, zahlen Eltern nun für die Tagespflege genauso viel oder sogar weniger als für eine Krippe. Wer zum Beispiel 40 Stunden pro Woche für ein Kind unter drei Jahren bucht, kommt auf rund 189 Euro im Monat. Essensgeld fällt im Gegensatz zur Kitalösung nicht noch zusätzlich an.

Beim Tagesmütterverein und bei der Tagesmutterbörse melden sich allerdings nicht nur Eltern. Wie beide Anlaufstellen bestätigen, gehen inzwischen auch vermehrt Anrufe von Tagesmüttern ein, die um ihre Zukunft bangen. Vor allem bei Stuttgarter Tagesgroßpflegestellen scheint der Jammer groß zu sein. 15 Großpflegestellen gibt es in Stuttgart. Ziel der Stadt ist, dass sich diese Zahl bis 2013 verdoppelt. Nun klagen allerdings Leiterinnen von Großpflegestellen gegenüber der Stuttgarter Zeitung, die neuen Regelungen seien für sie nicht existenzsichernd. Wenn sich nicht bis Sommer noch etwas ändere – so lange gilt eine Übergangsregel –, müssten sie ihre Einrichtungen schließen oder sich auf reiche Privatzahler konzentrieren.

Die „Kinderbetreuung Zuffenhausen“ schließt

Kira Lorenz aus Zuffenhausen hat die Entscheidung schon getroffen. Eigentlich wollte die Sozialpädagogin im Jahr 2012 expandieren, stattdessen schließt sie ihre „Kinderbetreuung Zuffenhausen“ zum 30.  April – zwölf Kinder werden hier von ihr und ihren zwei Mitarbeitern betreut. „Eine Großpflegestelle ist für 5,30 Euro die Stunde nicht finanzierbar“, sagt die 25-Jährige, die den Eltern schon gekündigt hat.

5,30 Euro überweist das Jugendamt den qualifizierteren Tagespflegepersonen pro Betreuungsstunde für ein unter drei Jahre altes Kind – das ist deutlich Geld mehr als früher.

Die Tagesmütter führen jedoch Kehrseiten an und beklagen folgende Punkte: dass sie nun keine Zusatzbeiträge mehr verlangen dürfen (zum Beispiel für bilinguale Angebote); dass sie kein Essensgeld verlangen dürfen; dass sie, wenn ein Kind krank oder im Urlaub ist, kein Geld bekommen. „Wenn wir alle das Gleiche zum gleichen Preis anbieten sollen, geht das zu Lasten der Qualität“, sagt Lorenz. Damit werde der Tagesgroßpflege die Geschäftsgrundlage entzogen, meinen die Frauen, die bis auf Kira Lorenz alle anonym bleiben wollen.

40 Cent pauschal pro Stunde als Ausgleich für Fehlzeiten

Das Jugendamt zahlt pauschal bis zu 40 Cent pro Betreuungsstunde als Ausgleich dafür, dass Kinder auch mal krank werden oder fehlen. Rechnet man das für den Fall einer 40-Stunden-Betreuung hoch, kommt man allerdings auf 18 Tage im Jahr, die so abgegolten sind. „Allein der gesetzliche Mindesturlaub beträgt 24 Tage, die Krankheiten kommen noch dazu“, sagt eine 42 Jahre alte Tagesmutter. Sie habe keinerlei Planungssicherheit, wisse nie, wie viel sie in einem Monat verdienen werde. Gerade die Unter- Dreijährigen seien überdurchschnittlich oft krank. Die Konsequenz: krankheitsanfällige Kinder lohnten sich für Tagesmütter nicht.

Die Vorsitzende des Landesverbands der Tagesmütter-Vereine, Christina Metke, sieht die Neuregelung in Stuttgart insgesamt als „Verbesserung“ an – endlich könnten die Eltern wählen. Allerdings kritisiert auch sie, auf welche Art die Stadt die Verpflegung sowie Urlaub und Krankheit des Kindes geregelt hat. „Tagesmütter brauchen Planungssicherheit“, betont Metke. Die Großtagespflegestellen seien „mit dieser Kostenerstattung wirtschaftlich nicht zu halten“, sagt die ehemalige CDU-Stadträtin. „Klärungsbedarf bei den Ausfallzeiten“ sieht auch Sigrid Stein von der Caritas. Die Neuregelung sei „ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ganz das Optimale“, meint Michael Weiße.

Die Sozialbürgermeisterin spricht vom „Erfolgsmodell“

Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer hingegen stellt klar: „Unser neues Fördermodell ist ein echtes Erfolgsmodell.“ Sie würden „überschwemmt mit Anträgen von neuen Tagesmüttern“ – die Zahl des Vorjahres sei schon jetzt erreicht. Die Vergütung sei „durchaus sehr ansehnlich“, sagt Fezer und gibt ein Rechenbeispiel: Selbst wenn eine Tagesmutter Kinder über drei Jahren betreue, die die Stadt niedriger bezuschusst, verdiene sie bei vier Kindern, die sechs Stunden pro Tag an 20 Werktagen kommen, im Monat 2064 Euro. Das Essensgeld müsse man allerdings abziehen, gibt sie zu. Niemand hindere jedoch die Eltern daran, Naturalien mitzubringen.

Die Sozialbürgermeisterin geht derzeit nicht davon aus, dass Nachbesserungen nötig sein werden. Sollte sich aber tatsächlich herausstellen, dass die vorgebrachten Punkte zum Problem werden, werde man bei den Regelungen nachsteuern. Mehrkosten für die Stadt schließt sie aus. Das Ziel sei, mehr Kinder in der Tagespflege unterzubringen wegen des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz. „Wenn es für die meisten Tagesmütter attraktiv ist und wenn man die Potenziale zu großen Teilen ausschöpfen kann, bleiben wir dabei“, sagt Fezer.