Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Weglaufgefährdete Demenzerkrankte machen deutschlandweit Pflegeheimen zu schaffen. Selbst aus geschlossenen Bereichen finden Bewohner Wege – beliebt sollen dem Vernehmen nach Brandschutztüren sein. Von den 1097 Vermisstenanrufen, die seit Jahresanfang bei der Stuttgarter Polizei eingegangen sind, betrafen immerhin 340 Erwachsene. Wie viele davon dement sind, wird nicht erfasst, aber es ist von einem hohen Anteil auszugehen. Die Regel ist, dass solch ein Ausflug glimpflich ausgeht und die Öffentlichkeit deshalb auch nichts davon erfährt. Dennoch versuchen die Heime natürlich, das Risiko zu minimieren. Baulich ist in den vergangenen Jahren einiges passiert, damit Desorientierte gar nicht erst nach draußen finden. Kommen jetzt die technischen Hilfsmittel? Weit verbreitet sind sie in Stuttgart noch nicht, aber erste Häuser führen diese ein – und deutschlandweit boomt die Branche.

 

Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit

So erwägt auch die Evangelische Heimstiftung ein GPS-System für ihre Pflegeheime. Ein Probelauf in Mannheim soll dieser Tage starten. Sei dieser erfolgreich, werde das System auch auf die anderen Häuser der Heimstiftung übertragen, kündigt Martin Schäfer, der Stuttgarter Regionaldirektor der Evangelischen Heimstiftung, an. „Wir befinden uns in dem Spannungsfeld zwischen Sicherheit bieten und Freiheit lassen“, sagt Schäfer. Jemandem, der eine leichte bis mittelschwere Demenz habe, könne solch eine GPS-Gerät den Weg zum Bäcker ermöglichen.

Einen etwas anderen Weg beschreitet der neue Paulinenpark der Diak-Altenhilfe im Westen. Dort gibt es kein GPS-Gerät, aber dafür eine sogenannte „Schutzengelanlage“ im Haus : Sie sorgt dafür, dass bestimmte Personen das Heim nicht erst verlassen können, alle anderen aber schon. Der Paulinenpark war als komplett offenes Haus geplant – angesichts der Stadtbahngleise vor dem Haus hat man sich umentschieden. Die „Schutzengelanlage“ hat eine Firma aus Bad Brückenau installiert, die angibt, schon 1100 Pflegeheime in Deutschland mit dieser Technologie ausgestattet zu haben – sie ist bestens im Geschäft. Das System basiert auf einem RFID-Chip. Nähert sich der Chip dem Aufzug, sorgt er mit einem Signal dafür, dass dieser stoppt – und die Tür zum Hauptreppenhaus sich verschließt. Auf der Etage kann sich der Chipträger frei bewegen. Der Weglaufschutz sei nur bei einer an Demenz erkrankten Frau nachts in Gebrauch, bei den übrigen sei dies nicht nötig, berichtet Florian Bommas, der Geschäftsführer der Diak-Altenhilfe. Er glaubt, dass andere Häuser nachziehen und in Technik investieren werden: „Der Trend wird in allen neuen Pflegeheimen dahin gehen.“