Das Ausbildungsbündnis des Landes Baden-Württemberg kann unterstützen, aber finden müssen die Betriebe ihren Nachwuchs selbst. Damit das gelingt, muss sich das Ausbildungsangebot verbessern, meint StZ-Wirtschaftsredakteur Thomas Thieme.

Stuttgart - Am kommenden Mittwoch verabschieden sich mehr als eine Million Mädchen und Jungen im Land in die Sommerferien. Für etwa jeden siebenten Schüler ist es kein vorübergehender Abschied, sondern das Ende der Schulzeit. Sie müssen sich nun überlegen, wie es im Herbst weitergehen soll: Bewerbe ich mich um einen Studienplatz oder um eine Lehrstelle? Möchte ich überhaupt direkt ins Berufsleben einsteigen oder zunächst meinen Realschulabschluss oder das Abitur nachholen? Oder ist ein freiwilliges soziales Jahr, vielleicht verbunden mit einem Auslandsaufenthalt, die beste Alternative?

 

2013 gab es erstmals mehr Studienanfänger als neue Azubis

Weil immer mehr Schüler im Land Abi machen und sich die Abiturienten häufig für ein Studium entscheiden, ist der Bereich der beruflichen Ausbildung ins Hintertreffen geraten. Auch die kürzeren Bachelor-Studiengänge jagen der klassischen dualen Berufsausbildung potenzielle Bewerber ab. Die Zahl der Studienanfänger hat 2013 zum ersten Mal die der Ausbildungsanfänger überstiegen. Angesichts dieser zunehmenden Akademisierung sind IHKs und Handwerkskammern im Land alarmiert. Ihren Betrieben fehle vor allem der praktische Nachwuchs, dabei seien die Karriere- und Verdienstmöglichkeiten für ausgebildete Facharbeiter in vielen Fällen sogar besser als für Bachelor-Absolventen.

Auch diese Aspekte sollten die jungen Menschen in ihre Überlegungen einbeziehen. Darüber hinaus darf ein Mindestmaß an Flexibilität von ihnen verlangt werden. Nicht für jeden kann es eine passende Lehrstelle im Heimat- oder Nachbarort geben. Umdenken müssen aber auch die Betriebe. Die Suche nach geeigneten Azubis ist für die meisten kleineren und mittelständischen Unternehmen längst keine Bestenauslese mehr, sondern ein knallharter Wettbewerb um die Fachkräfte von morgen. Viele Lehrstellen bleiben nicht etwa deswegen unbesetzt, weil die Bewerber zu schlecht sind, sondern weil sich überhaupt niemand darauf beworben hat.

Schwächere Bewerber verdienen eine faire Chance

Um solchen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, ist es unerlässlich, dass alle Institutionen an einem Strang ziehen. Das Ausbildungsbündnis mit seinem Ziel, mehr Hauptschüler, Migranten und Altbewerber unterzubringen, ist sicher hilfreich. Doch am Ende können sich die Betriebe nur selbst ihren Nachwuchs sichern. Dazu müssen sie auch schwächeren Bewerbern eine Chance geben. Das ist kein barmherziger Akt, sondern eine Notwendigkeit, die ihre Existenz langfristig sichern kann.

Ob diese Einsicht bereits in den Chef- und Personalbüros der breiten Masse der Ausbildungsbetriebe gereift ist, muss bezweifelt werden. Diesen Schluss legen zumindest Studien nahe, die belegen, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund bei gleicher Qualifikation, ähnlicher sozialer Herkunft und mit gleichem Suchverhalten nach wie vor benachteiligt werden. Das ist inakzeptabel für die betroffenen jungen Männer und Frauen und darüber hinaus auch nicht mehr zeitgemäß.