Meist bleibt die Führungsebene von Enkeltrick-Banden im Hintergrund – und somit unbehelligt. In Tübingen muss sich nun ein Paar als mutmaßliche Drahtzieher einer Gruppierung verantworten, die ältere Frauen um viel Geld gebracht hat.

Tübingen - Es kommt nur selten vor, dass Mitglieder der Führungsebene von sogenannten Enkeltrick-Betrügerbanden verhaftet und vor Gericht gestellt werden. Vor dem Tübinger Landgericht hat jetzt der Prozess gegen zwei mutmaßliche Drahtzieher einer solchen Gruppierung begonnen, gegen eine Frau und einen Mann im Alter von 50 und 54 Jahren. Sie wirken im Schwurgerichtssaal zunächst gemütlich wie ein Paar irgendeines Tante-Emma-Ladens. Doch bei ihren Geschäften geht es um große Summen, die sie gutgläubigen und vorwiegend älteren Menschen mit unlauteren Mitteln abgenommen haben. Die Anklage lautet auf gewerbs- und bandenmäßigen Betrug in fünf Fällen. Bei fünf weiteren Fällen blieb es bei strafbaren Versuchen. Über die Erfolge der zur Ermittlungsgruppe „Millioneri“ gehörenden Kriminalbeamten des Polizeipräsidiums Reutlingen hat die „Stuttgarter Zeitung“ schon mehrfach ausführlich berichtet.

 

Als Oberstaatsanwalt Bernhard Henn bei dem aktuellen Prozess die Anklage verliest, bricht die bieder wirkende Frau in Tränen aus. Doch gerade sie soll Chefin der Bande sein, die viele ältere Frauen um ihr Erspartes gebracht hat. In den fünf Fällen aus dem Sommer 2014 geht es um Summen zwischen jeweils 10 000 und 34 000 Euro. Der im Gerichtssaal hinter ihr sitzende Mann zeigt sich eher ungerührt. Beide sind nach deutschem Recht ledig, aber eigenen Angaben zufolge nach Roma-Art seit ihrer Jugend verheiratet. Die Familie spielt mit allen ihren Abhängigkeitsverhältnissen bei diesen Verbrechen eine große Rolle. Das Paar soll im Hintergrund sogenannte Keiler, Logistiker und Läufer ausgebildet haben. Laut Oberstaatsanwalt Henn floss ein großer Teil des erschwindelten Geldes diesen beiden Angeklagten zu.

Ein „Du“ soll Nähe schaffen

Der Keiler in dem perfiden System ruft in diesen Fällen von Polen (Vorwahl 0048) oder Spanien (Vorwahl 0034) bei älteren Frauen an, deren Vornamen im Telefonbuch auf ein älteres Geburstdatum hindeuten. Sie melden sich mit einem „Rate mal, wer am Telefon ist?“ und nutzen ein „Du“, um Nähe zu schaffen. Den sehr versierten Betrügern am Telefon gelingt es immer wieder, die Frauen Glauben zu machen, mit einem nahen Verwandten zu sprechen, den sie seit langem nicht gesehen haben. In den Fällen der Anklage in Tübingen gaben sich die Anrufer als ein Enkel oder ein Neffe der Opfer aus, dessen Immobiliengeschäft wegen eines Zahlendrehers bei einer Überweisung zu platzen drohe. Es sei denn, ihm würde rasch mit einer erheblichen Summe ausgeholfen.