Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Um die Ecke frönt eine andere Jugend anderen Interessen, auch wenn die von der Kirche betriebene Kletteranlage schon beliebter war als heute. „Lichterfest, Afrika-Festival, Jazz open“, zählt einer auf, der vor der dazugehörigen Bar sitzt und zuckt die Schultern. Auf der Büchsenstraße, 100 Meter abseits des Trubels, schlendert alle paar Minuten ein Mensch vorbei. Hier ist alles umgebaut und verkehrsberuhigt. Es ist gut geworden, schön. „Ich weiß nicht, ob ich mir hier Belebung wünsche“, sagt Schwarz. Er klingt, als sei die Frage beantwortet: nein. Unter Baumwipfeln ließe sich hier die Zeit der Tag-und-Nacht-Gleiche geradezu einatmen, in einer Stunde der Ruhe an einem Ort der Ruhe inmitten der Stadt.

 

„Ich bin eigentlich kein richtiger Stadtbewohner“, sagt Schwarz. Für die Wonnen des Großstädters – Bars, Bummel, Cafés, Konzert, Theater – fehlt ihm die Zeit. Der Beruf des Seelsorgers kennt keine 37,5-Stunden-Woche, und das Forum ruft meist abends zu Terminen. Seine Frau hat ein Abonnement für die Konzerte in der Liederhalle, er nicht. Inszeniertes ist ohnehin nicht, was ihn interessiert. Gelegentlich lockt ihn das alternative Kulturprogramm des Forum 3. „Die Stadt braucht solche Orte, die eine Art Geheimtipp sind“, sagt er.

Aber eigentlich strahlt die Stadt für ihn in anderer Schönheit, selbst wenn sie verblasst ist. „Das ist das ehemalige Wohnhaus von Gustav Schwab“, sagt er, „leider ist es nicht mehr zu erkennen.“ Der Bau, in dem einst der schwäbische Dichter lebte, ist eine in Blech bemantelte Scheußlichkeit. Den Pfarrer begeistert ein Klingelschild an einem Bürobau. Anwälte werben für sich, die Bedürftige verteidigen, Pflegedienste, die Arbeiterwohlfahrt, eine Sprachschule und eine Hobbygoldschmiede.

Ihm ist das ein Hinweis, dass Leben sprießt im Bürokratenquartier. Zahlen bestätigen das. Seine Gemeinde „ist eine der wenigen, die wachsen“, sagt er. Fremde aus aller Welt ziehen her, meist gut gebildet. „Junge Kreative entdecken das Quartier“, sagt Schwarz. Und Studenten haben ein paar Wohngemeinschaften gegründet. All dies gilt ihm als Zeichen des Wandels zu einer schöneren Stadt. Auch wenn nicht aller Wandel einer gegen die Zeichen der Zeit ist: Loretta hat ihr italienisches Restaurant aufgegeben. „Schade“, sagt Schwarz. Übernommen hat eine Burgerbude.