Der Bezirksbeirat stimmte gegen die Erweiterung der Flüchtlingsunterkunft in Hofen. Vor allem der Standort für die neuen Systembauten ist vielen ein Dorn im Auge. Warum man nicht auf der grünen Wiese bauen könne, statt Schrebergärten zu opfern, fragten die Lokalpolitiker.

Mühlhausen - Als Mitte 2013 die Entscheidung zum Bau von Flüchtlingsunterkünften in Hofen anstand, hatte sich der Bezirksbeirat einstimmig hinter den Plan der Stadt gestellt. Und viel gelobt und als vorbildlich bezeichnet wurde bis heute, wie sich die Zivilgesellschaft mit dem Freundeskreis Home in der Flüchtlingsfrage engagiert und so auch in den Ort hinein „Willkommenskultur“ geschaffen hat. Mit dem Plan der Stadt, im Zuge der Tranche 6 den Standort bis zum Ende des Jahres von drei auf fünf Systembauten für dann knapp 400 Flüchtlinge zu erweitern, ändert sich nun aber die Situation gravierend.

 

Interessengemeinschaft hat sich eigens gegründet

Dies zeigte sich schon im Vorfeld der aktuellen Sitzung des Bezirksbeirates, wo die städtische Information des Vorhabens auf der Tagesordnung stand. Etwa in einem offenen Brief von Anwohnern an Oberbürgermeister Fritz Kuhn, in dem einerseits die Bereitschaft zur Hilfe betont, anderseits aber die Erweiterung abgelehnt wird – mit dem finalen Satz: „Wir sagen ja zur Integration, wir sagen nein zum Ghetto Hofen!“

Dieser Widerstand machte sich nun in der Sitzung am Dienstag noch vor dem Aufruf des Tagesordnungspunktes in mehreren Wortmeldungen Luft, unter dem vorangestellten Punkt „Bürgerfragen“. Der Sprecher einer eigens gegründeten „Interessengemeinschaft“ sagte, die Hofener fühlten sich „hintergangen und ausgenutzt“. Und angesichts eines mit dann fast zehn Prozent mehrfach überproportionalen Bevölkerungsanteils von Flüchtlingen forderte er: „Wir erwarten eine solidarische und faire Lastenverteilung.“ Er fügte hinzu: „Wir kommen an den Punkt, wo Eidechsen mehr wert sind als Einwohner.“

Ein Aspekt, der dann auch in der Debatte im Gremium eine Rolle spielte, wobei zunächst Günter Gerstenberger vom Sozialamt die geplante Erweiterung mit dem Druck begründete, unter dem die gesetzlich zur Unterbringung verpflichtete Stadt angesichts des Zustromes stehe. Anette Müller vom Liegenschaftsamt stellte dann den Plan vor – mit einem Detail, der den breiten Widerspruch des Bezirksbeirates herausforderte: Die beiden neuen Gebäude sollen östlich neben die bisherigen gestellte werden, wofür auch Schrebergärten geopfert werden müssten. „Setzen Sie die Gebäude nach unten, auf die große, freie Wiese!“, forderte Reiner Hoffmann (SÖS-Linke-Plus), und Johannes Jäger (SPD) fasste zusammen: „Alle fragen sich, warum nicht diese Lösung gewählt wird.“

Formfehler in der Abstimmung

Müllers Antwort: „Dort sind Eidechsen, die Naturschutzbehörde hält das für nicht genehmigungsfähig.“ Fast unter ging, was sie zwischendurch hinzufügte: Diese Position werde „bisher verteidigt“. Ein weiteres Argument dagegen seien Mehrkosten von 110 000 Euro, was angesichts geschätzter Gesamtkosten in Höhe 3,6 Millionen Euro auf völliges Unverständnis stieß. Die mehr als zwei Stunden dauernde Debatte schien dann auf den Kompromiss zuzulaufen, dass die Erweiterung mit auf der Wiese platzierten Bauten akzeptiert werden könnte. Zumal Johannes Jäger einen diesbezüglichen Änderungsantrag stellte. Entschieden gegen jede Erweiterung wandte sich Johannes Schlichter (CDU) in einer langen Erklärung.

Die Abstimmung selbst schlug dann Kapriolen, die im Nachhinein massive Verwunderung zeitigte. Denn Jägers Antrag fiel unter den Tisch, weil der Bezirksvorsteher Ralf Bohlmann zur Abstimmung über den „übergeordneten Antrag“ der Stadtverwaltung abstimmen ließ. Das Gremium lehnte den Antrag fast einstimmig ab, bei zwei Enthaltungen der Fraktion der Grünen. Für den Formfehler entschuldigte sich Bohlmann am Tag darauf. Jäger verzichtet auf Intervention: „Das Ergebnis bliebe das gleiche.“ Weitere Verwirrung entstand, als Bohlmann darüber abstimmen ließ, ob das Gremium im weiteren Verfahrensverlauf erneut über das Thema beraten wolle. Das wurde von CDU und Freien Wählen abgelehnt. Das resultierende Patt bedeutet die Ablehnung des Vorschlages. Botschaft: „Wir wollen davon nicht mehr hören.“ Nicht wenigen standen danach Ratlosigkeit und Entsetzen ins Gesicht geschrieben.