Weil Pendler reservierte Stellplätze kaum nutzen, soll Bietigheim-Bissingen 572.000 Euro zurückzahlen. Den Oberbürgermeister wundert's.

Bietigheim-Bissingen - Pendler, die das Parkhaus an der Haltestelle Ellental in Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg) anfahren und dort auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen, haben die Wahl: Kaum einer der Park-and-Ride-Plätze auf dem oberen Deck ist belegt. Die miserable Auslastung hatte der Rechnungshof Baden-Württemberg schon vor drei Jahren in seiner Denkschrift angeprangert. Geändert hat sich daran bis heute nichts, weshalb das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) jetzt 572.000 Euro an Fördermitteln und Zinsen von der Stadt zurückfordert. Diese wiederum erwägt, dagegen zu klagen.

"Da haben wir unterschiedliche Auffassungen", bestätigt Bietigheim-Bissingens Oberbürgermeister Jürgen Kessing den Dissens mit dem RPP. Bei der Höhe der Streitsumme "lohnt sich eine Auseinandersetzung vor Gericht". Gründe für eine Rückforderung des Zuschusses samt Zinsen für das im November 2003 eröffnete, mehr als 940.000 Euro teure Parkhaus sieht der Rathauschef zwar keine. Allerdings räumt auch Kessing ein, dass die 82 Park-and-Ride-Parkplätze nur zu "fünf bis zehn Prozent" ausgelastet sind.

Förderzweck nicht erfüllt


Damit sei aus Sicht des Regierungspräsidiums der Förderzweck nicht erfüllt, Autofahrer zum Umsteigen auf die Schiene zu bewegen, sagt der RP-Sprecher Clemens Homoth-Kuhs. Schon nach der Kritik des Landesrechnungshofes im Jahr 2007 hatte sich das Regierungspräsidium an die Stadt gewandt. Weil sich die Auslastung des Parkdecks seitdem nicht verbessert habe, stellte das Regierungspräsidium Mitte Oktober den Rückerstattungsbescheid zu.

Zum Bau des Parkhauses sei die Stadt gedrängt worden, sagt der Bietigheimer OB. Man habe sich auf Prognosen des Verkehrs- und Tarifverbundes Stuttgart (VVS) gestützt. "Wir waren nur beratend tätig", wehrt eine VVS-Sprecherin etwaige Vorwürfe ab. Damals seien am Bietigheimer Bahnhof Parkplätze rar gewesen, eine kurzfristige Lösung sei dort nicht möglich gewesen. Deshalb habe man sich für das Parkdeck an der Station Ellental entschieden. Dort halten aber nur Regionalzüge nach Stuttgart, Karlsruhe und Heidelberg sowie die Stadtbahn in Richtung Pforzheim. Die S-Bahn-Linie S5 in Richtung Stuttgart dagegen endet am Bahnhof. Ob sie je bis nach Vaihingen/Enz fährt und damit die Station Ellental S-Bahn-Halt wird, ist laut dem Verband Region Stuttgart völlig offen.

Unglückliche Preisgestaltung


Bei der Empfehlung für die Parkhausgröße habe sich der Verkehrsverbund an vergleichbaren Städtten orientiert, so die VVS-Sprecherin. Doch die Neubürger aus dem benachbarten Wohngebiet Kreuzäcker, die allenfalls als Nutzer in Frage kämen, können zu Fuß zur Haltestelle Ellental laufen. Mit schuldig an der schlechten Auslastung des Parkhauses sind aus Sicht des VVS zudem die Preise: Die ebenerdigen Plätze unter dem Park-and Ride-Deck, die einem Discounter gehören, kosten nichts, die öffentlichen Stellplätze dagegen werktags einen Euro pro Tag. "Das ist unglücklich", so die VVS-Sprecherin.

Zwar fordert das Regierungspräsidium aktuell nur von Bietigheim Fördergeld zurück. Einmalig ist dieses Vorgehen aber nicht: Im August 2001 musste Stuttgart bereits umgerechnet rund drei Millionen Euro zurückzahlen. Die Stadt hatte die Rechnung ohne die Pendler gemacht, als sie am SI-Centrum in Möhringen 495 Park-and-Ride-Parkplätze bauen ließ. Die Hoffnung, damit neue Nutzer für die Stadtbahn zu gewinnen, erfüllte sich nicht.