Zufahrtswege, Kanäle, Leitungen: Hausbesitzer müssen dafür zahlen, wenn ihr Wohngebiet voll nutzbar wird. Strittig war das in einem kuriosen Fall in Bietigheim. Ein Anwohner hat gegen die Verwaltung vor Gericht verloren. Vorerst?

Verwaltungsgericht - Das Baugebiet Mühläcker/St. Peter in Bietigheim ist an sich eine wenig spektakuläre Gegend. Unter Verwaltungsjuristen hat das Gebiet allerdings bundesweit Furore gemacht. Die Bietigheimer Wohnbau, eine Tochter der Stadt, übernahm die Erschließung des Areals, dazu zählte auch die finanzielle Abwicklung. Doch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erklärte die ganze Konstruktion 2010 für rechtswidrig: die Wohnungsbau-Gesellschaft sei nicht unabhängig von der Stadt, sondern ein Teil der Stadt – und könne nicht mit sich selbst Geschäfte machen.

 

Nun hofft ein Ehepaar, das in dem Wohngebiet lebt, dass sich die Geschichte juristisch wiederholt. Die Bürger beanstandeten, dass die Stadt von ihnen rund 6000 Euro Erschließungsbeiträge verlangte. Der Vorbesitzer ihres Grundstücks hatte ihnen gesagt, dass er seinen Anteil für das Grundstück bereits bezahlt hatte. Damals allerdings an die Bietigheimer Wohnbau. Nach dem Leipziger Urteil wurden alle Zahlungen rückabgewickelt. Nun verschickte die Stadt die Rechnungen an die (neuen) Eigentümer.

„Unser Mandant hat von dem Verfahren nichts gewusst.“

Die Hausbesitzer reichten Klage ein. „Unser Mandant hat von dem ganzen Verfahren nichts gewusst“, sagte deren Anwalt Michael Arnold jüngst bei einer mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Doch die Mannheimer Richter sehen den Fall anders und gaben der Stadtverwaltung Bietigheim-Bissingen Recht.

Kern des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Forderungen der Stadt an die Anwohner des Wohngebiets teilweise oder komplett verjährt sind. Wenn die Kläger Recht bekommen hätten, wäre die Kommune wohl auf rund 1,3 Millionen Euro Erschließungskosten sitzen geblieben. Ähnlich wie Steuerbehörden hätte die Stadt die Sache ganz einfach regeln können, hatte Michael Arnold vor Gericht argumentiert. Die Verwaltung wusste, dass die Abrechnungen über die Wohnbau rechtlich strittig waren. Daher hätte sie, so der Jurist, vorläufige Bescheide an die Eigentümer verschicken können. „Das ist ein übliches Vorgehen.“ Immerhin habe die Stadt seit dem Jahr 2005 durch die Auflistung der Wohnbau gewusst, wie hoch die Kosten sind.

Richter folgen Argumentation der Stadt

Die Vertreter der Verwaltung stützten sich vor Gericht auf andere Argumente. Die Stadt habe erst nach dem Leipziger Urteil wissen können, wie viel Kosten auf sie zukommen – als nämlich eine entsprechende Rechnung der Bietigheimer Wohnbau im Rathaus eingetroffen sei.

Die Mannheimer Richter folgten dieser Argumentation: erst mit dem Versenden der Rechnung seien der Stadt im verwaltungsrechtlichen Sinne Kosten entstanden. Die Verwaltung habe zudem nicht wissen können, dass das erste Erschließungsmodell über die Wohnbau rechtswidrig sein könne – immerhin hatten die beiden ersten Instanzen das Vorgehen für rechtens erklärt. Erst das Bundesverwaltungsgericht kippte diese Urteile. Nun hoffen die Kläger erneut auf Leipzig. Laut dem Anwalt Michael Arnold wollen seine Mandanten gegen das Mannheimer Urteil vorgehen. Zwar wurde die Revision auf höchster Ebene nicht zugelassen. Doch dagegen wollen die Kläger beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einlegen. Ganz aussichtslos erscheint das nicht. Immerhin war noch das Verwaltungsgericht Stuttgart zu dem Schluss gekommen, dass der Fall für Kommunen grundlegende Bedeutung habe.