Die Süßigkeit aus Mandeln war lange Kranken und dem Adel vorbehalten – eine neue Ausstellung im Stadtmuseum Hornmoldhaus zeigt, warum.

Bietigheim-Bissingen - Die einen lieben es, die anderen hassen es: Marzipan ist nicht jedermanns Sache. Das war schon immer so – früher allerdings weniger aus Geschmacks- als vielmehr aus Kostengründen. Denn in vergangenen Zeiten war Marzipan nur in der Apotheke zu bekommen, zu entsprechend hohen Preisen. Lange war die Süßigkeit dem Adel und dem gehobenen Bürgertum vorbehalten, bis es endlich für eine breite Bevölkerungsschicht erschwinglich wurde. In einer neuen Sonderausstellung zeichnet das Stadtmuseum Hornmoldhaus diese Entwicklung nach.

 

Es sind nur drei Zutaten notwendig, um Marzipan herzustellen: Mandeln, Zucker und Rosenwasser. Doch alle drei Zutaten waren bis ins 19. Jahrhundert hinein extrem teure Apothekenware. Denn sie mussten aus dem Orient und Südostasien importiert werden. Deshalb wurde Marzipan lange vor allem als „Kraftbrot“ zur Stärkung von Kranken und Wöchnerinnen hergestellt und verkauft. Lediglich der Adel und das gehobenen Bürgertum kamen ebenfalls in den Genuss der Mandelsüßigkeit, der Zugang des gemeinen Volkes zu dieser Spezialität hingegen war stark reglementiert: „Die Stadtväter achteten darauf, dass sich die Bürger nicht verschuldeten“, erklärt Regina Ille-Kopp, die Leiterin des Bietigheimer Stadtmuseums.

Die Zuckerrübe sorgt für den Durchbruch

Der große Durchbruch kam erst, als eine Alternative zum teuren Rohrzucker gefunden wurde: die Zuckerrübe. Nachdem der Berliner Chemiker Andreas Sigismund Markgraf 1747 entdeckt hatte, dass die als Tierfutter angebaute Runkelrübe einen geringen Anteil Zucker enthielt, wurde diese systematisch zur Zuckerrübe gezüchtet. Nach und nach konnte immer mehr Zucker vor Ort produziert werden, der Preis sank rapide. Nun konnten sich immer mehr Menschen auch Marzipan leisten.

Angesichts der steigenden Nachfrage musste die ursprünglich in Handarbeit hergestellte und verarbeitete Mandelmasse jedoch effizienter produziert werden. Es kamen Schwefelformen auf, mit denen das Marzipan schneller modelliert werden konnte. Auch allerlei Geräte wurden genutzt, um die aufwendigen Figuren aus der Mandelmasse im Akkord herstellen zu können. Diese Geräte und Formen werden ebenso in der Ausstellung präsentiert wie die typischen Spezialitäten der verschiedenen Marzipanhochburgen in Europa. So sind hier sizilianische Marzipanfrüchte zu sehen, Mozartkugeln aus Salzburg, Nieder-egger Marzipan aus Lübeck oder ein Figurenpaar in kräftigen Farben aus der estnischen Hauptstadt Tallinn.

Die Hochzeiten des Marzipans enden mit dem Krieg

Aber auch die teilweise höchst kunstvollen Schwefelformen zur Herstellung von Marzipantorten kann der Besucher im Hornmoldhaus bewundern. Schließlich hatten diese Torten Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts einen hohen Stellenwert: „Sie waren der Gipfel fast jeden festlichen Menüs“, sagt Regina Ille-Kopp. Allerdings seien sie kaum zu vergleichen mit heutigen Exemplaren: Sie bestanden zu 100 Prozent aus Marzipan.

Die Hochzeiten des Marzipans waren nach dem Zweiten Weltkrieg zwar vorbei, doch die Mandelmasse wurde immer noch gern zur Bestückung von Kaufmannsläden für Kinder genutzt, wie im Obergeschoss des Hornmoldhauses zu sehen ist. Dort sind auch zeitgenössische Kunstwerke aus Marzipan zu bestaunen, zudem wird die Verbindung zur Literatur dargestellt.

Die Schau, die am Sonntag eröffnet wurde, ist bis Anfang April zu sehen. In einem umfassenden Rahmenprogramm, das von Führungen bis hin zur Verarbeitung von Marzipan reicht, wird das Thema vertieft.