Hedgefonds und Hochfrequenzhändler verändern die Preise für Soja, Mais und Weizen willkürlich. Agrarhändlern verdirbt das die Bilanz. Menschen in ärmeren Regionen der Welt treibt es in den Hungertod.

München - Für eine Bilanzvorlage einer börsennotierten Gesellschaft sind das ungewöhnliche Worte: „Es wird irgendwann eine politische Diskussion nach sich ziehen, wenn Menschen sich ihr tägliches Brot nicht mehr leisten können, weil auf Agrarmärkten spekuliert wird“, sagte Baywa-Chef Klaus Josef Lutz am Donnerstag. Sein Unternehmen ist Deutschlands größter Agrarhändler. Niemand importiert so viel Sojaschrot als Futtermittel in die Europäische Union wie die Münchner.

 

Selbst ein solcher Handelsriese mit 2016 rund 15,4 Milliarden Euro Umsatz kann nur noch staunend zusehen, wenn Hedgefonds und Hochfrequenzhändler im globalen Maßstab das Geschäft mit Soja, Mais oder Getreide an sich reißen. Das führe zu einem völlig irrationalen Auf und Ab an den Agrarbörsen, kritisierte Lutz. Auslöser seien spekulierende Hedgefonds. Deren künstliche Markttrends würden dann von softwarebasierten Hochfrequenzhändlern beziehungsweise deren Computern massiv verstärkt. In der Summe könnten im Wochenrhythmus fallende Preise ins Gegenteil verkehrt werden oder umgekehrt. Wenn die Baywa in Brasilien ein Schiff mit Sojaschrot beladen lasse, dauere es vier Wochen bis die Ware am Bestimmungsort ist. Bis dahin könnten Spekulanten die Preise radikal verändert haben.

Bei einem Handelskonzern wie der Baywa hinterlässt so etwas – wie 2016 geschehen – Spuren in der Bilanz. Bauern, speziell in Schwellen- oder Entwicklungsländern, kann das erratische Schwanken von Agrarpreisen ruinieren und die Ärmsten dieser Welt zum Hungern verurteilen. Speziell bei den für Ernährung wichtigen Handelsgütern wie Getreide und Ölsaaten übersteige das Angebot derzeit im globalen Maßstab die Nachfrage, betonte Lutz. Gleichzeitig sind im Jemen und mehreren afrikanischen Ländern Millionen von Menschen vom Hungertod bedroht.

Gewinn in der Agrarhandelssparte bricht um die Hälfte ein

Bei der Baywa sind die Effekte weniger dramatisch. In der den Konzern dominierenden Agrarhandelssparte sind die operativen Gewinne 2016 zwar um gut die Hälfte auf 17,2 Millionen Euro eingebrochen. Weil zugleich aber das Geschäft mit erneuerbaren Energien und Baustoffen sowie in anderen Geschäftsbereichen gut gelaufen ist, stand am Ende ein überschaubarer Rückgang des Ergebnisses vor Steuern und Zinsen um knapp neun Prozent auf 145 Millionen Euro. Um beim Handel mit Sojaschrot & Co. nicht noch einmal so etwas wie 2016 zu erleben, plant die Baywa eine Beteiligung am Spezialisten für Hochfrequenzhandel Quantum Rock. „Wir wollen physische Händler bleiben und nicht spekulieren“, stellte Lutz klar. Durch die Verbindung zu Quantum Rock erhoffe man sich aber ein besseres Verständnis der spekulativen Marktausschläge und vor allem eine Möglichkeit, das eigene Geschäft vor den Preisschwankungen abzusichern.

Die Dimension der Spekulationen seien immens, betonte Lutz. So sei am weltweit wichtigsten Umschlagplatz für Warentermingeschäfte Chicago 2016 mehr als das 28-fache der globalen Maisernte virtuell gehandelt worden. Für 2017 baut der Baywa-Chef auf eine gut 20-prozentige Verbesserung des operativen Gewinns und wie im Vorjahr leicht steigende Umsätze.