Das SPD-Forum Obere Neckarvororte debattiert mit Kultusminister Andreas Stoch über die Gemeinschaftsschule.

Hedelfingen - Mit der Entscheidung des Gemeinderates, die Steinbergschule in eine Gemeinschaftsschule zu transformieren, sind noch längst nicht alle Fragezeichen beseitigt. Dies zeigte nun auch das SPD-Forum Obere Neckarvororte, das sich im Waldheim dieser Schulform widmete. Wie stark der Bedarf nach Information und klärender Debatte ist, darauf deutete schon der volle Saal hin. Mit Spannung wurden so nicht zuletzt Erfahrungsberichte zweier Elternvertreterinnen der Elise von König Gemeinschaftsschule aus Münster erwartet, die als erste Schule dieser Art in Stuttgart inzwischen als Erfolgsmodell gilt. Daneben sollte Kultusminister Andreas Stoch (SPD) die Sicht des Bildungspolitikers und der Landesregierung darlegen. In der Debatte mit dem Publikum hatte er dann reichlich mit kritischen Fragen zu tun.

 

Zunächst versuchte Stoch deutlich zu machen, dass die von der aktuellen Regierung ins Werk gesetzte neue Schulform „kein ideologisches Projekt, sondern der Krise des dreigliedrigen Schulsystems“ geschuldet sei. Dabei berief er sich auch auf den baden-württembergischen Handwerkstag, der bereits 2003 festgestellt habe, dass das System nicht mehr funktioniere. Das zentrale Anliegen der Gemeinschaftsschule, jedes Kind gemäß seiner Begabung zu fördern, unabhängig von seiner Herkunft und den finanziellen Möglichkeiten der Eltern, das stehe so „fast wörtlich in Artikel 11 der Landesverfassung“. Und das Ende der Hauptschule sei eine Folge davon, „dass Eltern für ihre Kinder den bestmöglichen Schulabschluss wollen“. So stehe die Gemeinschaftsschule dafür, „Kinder nicht abzustempeln und auszusortieren. Und dafür, dass Schulentscheidungen nicht bei Zehnjährigen das Wohl und Wehe des Lebensweges festlegen“.

Stoch: Leistungspotenzial der Kinder wird ausgeschöpft

Marianne Urbana aus Münster beschrieb ihre Erfahrungen mit zwei Kindern an der Gemeinschaftsschule: „Der schulische Stress in der Familie ist viel geringer. Bei jedem Kind wird da angesetzt, wo es gut ist, und von da kann es sich hocharbeiten.“ Auch durch die Pubertät bedingte Probleme würden entschärft, wie sie an ihrer Tochter sehe: „Wir werden das überbrücken, sie wird ihre Ziele erreichen. Gemeinschaftsschule ist die Schule, die Lernprozesse von Kindern verstanden hat.“ Ihre Elternbeiratskollegin Valeska Schlosser fügte hinzu: „Es gibt Kinder, für die ist das Gymnasium klar das Beste. Für uns war die Gemeinschaftsschule genau das Richtige.“

Ob es sich hier aber nicht doch um „Kuschelpädagogik“ handele, die Schule als „Hängematte“ diene, individualisiertes Lernen und der Verzicht auf Noten nicht auch Verzicht auf Leistungsbereitschaft sei? Und was passiere, wenn ein Kind nach der zehnten Klasse aufs Gymnasium wechsle und dann „volles Feuer“ erfahre? Einwände und Fragen aus dem Publikum, die Stoch mit detaillierten Ausführungen zur Lernweise zu klären und zu entkräften suchte: „Auch die Gemeinschaftsschule will das Leistungspotenzial der Kinder ausschöpfen, aber mit anderen pädagogischen Mitteln und ohne Kinder zu demotivieren.“

Michael Jantzer, SPD-Bezirksbeirat in Obertürkheim, bei Bosch für das Coaching von Spitzenkräften zuständig, verteidigte die Stärkung von Selbstständigkeit und Mitverantwortung im Lernprozess: „Genau darauf legen wir Wert. Es geht um die Frage: Wie bilde ich selbstbewusste Menschen, die eine Aufgabe mit Freude und Zielstrebigkeit selbstständig angehen können.“ Ein anderer meinte: „Wir Selbstständigen begrüßen die Gemeinschaftsschule und ihre Möglichkeiten. Wir brauchen Akademiker, aber wir brauchen auch Handwerker und Facharbeiter. Die Gemeinschaftsschule ist eine Riesenchance als Sprungbrett in die berufliche Bildung.“ In seinem Schlusswort betonte Stoch schließlich: „Egal wer regiert, die Entwicklung muss weitergehen.“