Erstmals hat in Deutschland ein Paar Heiliger Ibisse erfolgreich gebrütet. Naturschützer sind wenig begeistert: der exotische Vogel könnte einheimischen Arten gefährlich werden.

Stuttgart - Naturschützer sind so gar nicht begeistert über die Vogelart, die im Sommer 2013 zum ersten Mal in Deutschland erfolgreich ihren Nachwuchs großgezogen hat. Dabei ist der Heilige Ibis, den Biologen als „Threskiornis aethiopicus“ kennen, ein durchaus attraktiver Vogel. Ein klein wenig ähnelt er Störchen und Kranichen, hat aber einen langen Schnabel, der sich nach unten biegt, und ist deutlich kleiner. Während Störche und Kraniche aber bereits seit Jahrtausenden durch Mitteleuropa schreiten, ist der Ibis eigentlich südlich der Sahara in Afrika zuhause. Vor allem aber bedroht der Neuankömmling einheimische Arten von Seeschwalben bis hin zu Libellen. Genau aus diesem Grund würden Naturschützer den Heiligen Ibis lieber heute als morgen wieder einfangen und dorthin zurückbringen, wo er herkam: aus Gehegen und Zoos.

 

Genau das schreibt auch das Gesetz vor: Wenn Neuankömmlinge starke Schäden am einheimischen Ökosystem anzurichten drohen, müssen die Behörden ihr Ausbreiten eindämmen und solche Arten möglichst „beseitigen“. „Wir sollten daher den Anfängen wehren und das bisher einzige Paar der Heiligen Ibisse und sein Jungtier wieder einfangen“, meint Thomas Rödl vom Referat für Artenschutz des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) in Bayern. „Da sind sich die Fachleute auch einig.“

In Zoos und Vogelparks gezüchtet

Dabei denkt der Biologe an die Hintergründe dieser Entwicklung, die ein Artikel in der Januar-Ausgabe 2014 der Fachzeitschrift für Vogelbeobachter „Der Falke“ schildert: Weil Heilige Ibisse sehr attraktive Vögel sind, die sich in Gehegen fast so einfach wie Haushühner halten lassen, werden sie in einigen europäischen Vogelparks gezüchtet. Da sie in solchen Gehegen oft auch frei fliegen können, kommen einige von ihnen bisweilen nicht zurück.

Die mitteleuropäischen Winter überstehen Heilige Ibisse trotz ihrer Herkunft aus den tropischen Regionen Afrikas ohne größere Probleme. Seit dem Jahr 2010 tauchten die eindrucksvollen Vögel daher immer wieder am Ismaninger Speichersee nordöstlich von München auf, der in der Region als Vogelparadies bekannt ist. Ringe an den Beinen bewiesen, dass sie aus einem Vogelpark und aus einem privaten Gehege in der Nähe stammten.

Neuer Brutvogel in Bayern

Im Sommer 2013 hatte sich ein Ibis-Paar gefunden, baute ein Nest und zog erfolgreich ein Küken groß. Deutschland hatte damit einen neuen Brutvogel und der Naturschutz bekam ein Problem. Denn der Ibis hatte sich vorher bereits in Frankreich etabliert – und in der dortigen Vogelwelt bisweilen aufgeräumt: Auch dort waren die Tiere aus einem Zoo entkommen, in dem sie frei fliegen konnten. 25 und 70 Kilometer entfernt gründeten die Flüchtlinge im Süden der Bretagne zwei Kolonien, 1993 zogen sie dort den ersten Nachwuchs erfolgreich auf.

Die Tiere vermehrten sich rasant, im Jahr 2005 zählten die Behörden bereits einige Tausend heilige Ibisse, die an der französischen Atlantikküste auch überwinterten. Auch im Süden des Landes waren Ibisse aus der Gefangenschaft geflohen. Aus acht Paaren im Jahr 2000 war 2005 bereits eine Kolonie mit mehr als hundert Paaren entstanden. Auch in den Niederlanden gab es 2007 einige Ibisbruten – im Westen Europas hatte die Art sich offensichtlich erfolgreich etabliert.

Gewaltiger Appetit

Das Problem mit dieser Art ist ihr gewaltiger Appetit: Heilige Ibisse fressen fast alles, was in ihren Schnabel passt. Und das sind nicht nur Kröten und andere Amphibien, sowie Schnecken und andere Wirbellose. So zeigen Fotos, wie Ibisse in eine Brandseeschwalben-Kolonie eindringen, die viel kleineren Vögel dort von ihren Nestern vertreiben und anschließend die Eier in den dreißig Gelegen vertilgen. Die Brandseeschwalben gaben die Kolonie nach diesem traumatischen Erlebnis auf. Die Ibisse störte das nicht weiter, schließlich konnten sie auch die Nester von Trauerseeschwalben und Weißbartseeschwalben plündern. Auch die Eier von Fluss-Seeschwalben, Stelzenläufern und Kiebitzen landeten in den Ibis-Mägen, selbst die vom Aussterben bedrohte Rosenseeschwalbe bedrohten die Invasoren.

Das Gleiche könnte daher auch Trauerseeschwalben, Weißbartseeschwalben, Weißflügelseeschwalben, Rotschenkeln und Uferschnepfen in Deutschland drohen. „Dort ist jetzt noch Zeit, die wenigen Ibisse zu fangen und so zukünftigen Problemen vorzubeugen“, meint Norbert Schäffer. Der bayrische Ornithologe leitet die Abteilung Internationale Naturschutzpolitik und Artenschutz in der britischen Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) und plädiert mit gutem Grund für vorbeugende Maßnahmen: In Frankreich versuchen die Behörden seit 2008 die Heiligen Ibisse zu dezimieren, haben rund 5000 Tiere abschießen lassen und die Art so auf rund 400 Brutpaare dezimiert. Nicht nur die Naturschützer von LBV und RSPB aber würden einen solchen Massenabschuss lieber vermeiden und plädieren daher für ein frühzeitiges Eingreifen.