Am Mittwoch startet in Nürnberg die weltgrößte Messe für ökologisch erzeugte Lebensmittel. Die Anbieter setzen stark auf fairen Handel.

Nürnberg - Wirtschaftsforscher neigen eigentlich nicht zum Schwärmen. Bei Bio aber macht Matthias Balz eine Ausnahme. "Die drei Buchstaben haben sich zur komprimiertesten positiven Werbebotschaft am Markt entwickelt", sagt der Wissenschaftler des Münchner Ifo-Instituts. Konsumenten geizen weniger, wenn es um ihr Wohlbefinden geht, stellt er klar und beschreibt damit die noch vor gut einem Jahr gültige Lage. Nun aber sieht es so aus, als könnte sich der Wind speziell bei Biolebensmitteln drehen. Praktisch über Nacht ist aus einem lange Zeit zweistelligen Wachstum Stagnation oder sogar ein leichter Rückgang geworden.

Bundesweit wohl keine 5,8 Milliarden Euro Umsatz mehr hat die Branche 2009 gemacht und tritt damit auf der Stelle, schätzt Konsumforscher Helmut Hübsch von der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). So krass wie auf den ersten Blick sei die Wende aber nicht, denn mengenmäßig sind in Deutschland so viele Bionahrungsmittel verkauft worden wie nie zuvor.

Discounter verursachten Preisverfall


An der erfolgsverwöhnten Branche geknabbert hat ausschließlich ein mehrprozentiger Preisverfall. Den haben Discounter wie Lidl oder Rewe mit Preisschlachten verursacht. "Die Rechnung ,niedrigere Preise gleich mehr Absatz' ist nicht aufgegangen", stellt Alexander Gerber klar. Er ist Geschäftsführer des Bunds Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (Bölw). Zur Freude von Verbrauchern in den Keller gegangen seien etwa Biokartoffeln mit 18 Prozent Preisverfall. Reine Biohändler wie Alnatura hätten dagegen sechs Prozent mehr umgesetzt.

"Pro Jahr konstant fünf bis zehn Prozent Wachstum sind sicher", meint Gerber mit Blick nach vorn. Der Verbraucher sei auf den Biogeschmack gekommen. Mittlerweile komme auch verstärkt Ware aus heimischer Produktion auf die Tische. Denn wegen überschäumender Nachfrage kam zuletzt mindestens ein Drittel der Lebensmittel von Biobauern aus dem Ausland. Und deren klimaschädlicher Transport widerspricht Ökogedanken.

Um sechs Prozent auf über 11.000 ist laut Bölw die Zahl heimischer Biobetriebe im Vorjahr gestiegen. Die Anbaufläche wuchs um über fünf Prozent auf gut 653.000 Hektar. Das entspricht dem Wunsch der Verbraucher, die bei Händlern immer öfter gezielt Bioware aus der Region verlangen. Wer im Februar frische Äpfel will, könne aber keine ideale Umweltbilanz erwarten, stellt Gerber klar. Um im Winter deutsche Äpfel anbieten zu können, müssten sie in speziellen Kühlhäusern vor dem Faulen bewahrt werden, was Energie verschwendet (siehe Text unten).

Trotz weitgehender Kundentreue lässt sich aber nicht verleugnen, dass die Branche an Biss verliert. Als Indiz dafür dient die Weltleitmesse für Bionahrungsmittel Biofach, die morgen in Nürnberg für Fachbesucher eröffnet wird. Rund 2500 Aussteller erwartet Messemanager Claus Rättich. Das wäre ein Zehntel weniger als 2009.

Fairer Handel steht im Vordergrund


In Firmenbudgets mache sich die Krise negativ bemerkbar, sagt Rättich. Um dem Biogedanken für alle Fälle frischen Wind zu verleihen, wollen die Messemacher ihn mit der Idee des fairen Handels verknüpfen und das in den Fokus der Nürnberger Branchenschau stellen.

Fairer Handel bedeutet, dass die Abnehmer Mindestpreise zahlen, damit die Erzeuger von ihrer Arbeit leben können. Zudem werden über das Fairtrade-Siegel auch soziale Standards wie ein Verbot von Kinderarbeit garantiert. Es prangt hierzulande auf über 1000 verschiedenen Waren. Pro Jahr haben die Verbraucher zuletzt 266 Millionen Euro für fair gehandelte Produkte ausgegeben.

Wer Bio kauft, steht gedanklich auch fairem Handel nahe - das ist das Kalkül von Handel und Herstellern. So soll die Kundschaft ideell bei der Stange gehalten werden, falls die Krise doch unverhofft heftig beim Verbraucher ankommt. Wenn das Marketing mit solchen Begriffen hantiert, kann der Kunde aber auch darauf vertrauen, dass die Verbrauchersiegel nicht lügen? Wo Bio draufsteht, ist fast immer Bio drin, betont die Redakteurin des Magazins "Öko-Test", Hella Hansen. Was Pestizide anbelangt, ist Bioobst und Biogemüse sauber, sagt sie aus jahrelanger Erfahrung. Schwarze Schafe, die zum Beispiel konventionelles Putenfleisch als Biopute verkaufen, gebe es immer.

Ökotest: "Biosiegel ist verlässlich"


Das seit 2001 weit verbreitete Biosiegel mit dem grünen Sechseck sei verlässlich. Ab Juli kommt für Bioware verpflichtend ein neues grünes EU-Siegel mit einem stilisierten Blatt dazu, das identische Kriterien anlegt. Verbandssiegel wie die von Naturland oder Demeter legten teils jedoch noch wesentlich strengere Maßstäbe an.

Ihre Kollegin Birgit Rehlender von der Stiftung Warentest ist von Bioware dagegen nicht durchgängig überzeugt. "Es gibt alle Facetten", sagt sie zum Vergleich von konventionellen mit Bioprodukten. Bei Obst und Gemüse erhalte durchweg die Biovariante bessere Noten. Gemischt seien die Ergebnisse bei verarbeiteten Lebensmitteln wie Fertiggerichten.

Weil Bio viele Zusatzstoffe ausschließt, gehe Bioware manchmal schnell kaputt oder sie verändere ihre Konsistenz. "Je mehr Lebensmittel verarbeitet werden, desto weniger lohnt sich ein Biokauf", räumt Hansen ein. Und Dickmacher wie Bioschokolade oder Biochips seien natürlich auch nicht gesünder, wenn sie ökologischem Anbau entspringen.