Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Blechbläser sind es gewohnt, unter widrigen Bedingungen zu spielen. Auch die aus großen Lautsprechern vom Neuen Schloss laut herüberdringende Rockmusik mindert den Genuss. Der Kirchentag belegt: Alt und Neu stehen in wachsender Konkurrenz zueinander. Selbst die Bläserliteratur wird immer mehr von populärer Musik gekapert. „Im Grunde sind nur noch die Choräle unbearbeitet“, sagt Holzwarth. Fast 6200 Posaunenchöre gibt es in der evangelischen Kirche Deutschlands. Sich gegen den Zeitgeist zu behaupten, mag dem Dutzend Ensembles im hochmusikalischen Stuttgart noch gelingen, doch auch hier müssen sie gegen den Bedeutungsverlust ankämpfen. Holzwarth wirbt mit Vorliebe um die Drittklässler direkt in den Schulen. Neunjährige ließen sich eher für das Blech begeistern. Die Schüler animierten anschließend die Eltern – nicht umgekehrt. Dann würden die Mütter merken, dass „etwas mit ihren Kindern passiert“, schildert Holzwarth. Dies sei „zeitgemäße Mission“. Posaunenchöre lassen den Nachwuchs zwar immer mehr von Profis ausbilden. Das kostet Geld. Doch können sie bei weniger betuchten Eltern wenigstens mit frei bereitgestellten Instrumenten punkten nach dem Motto: Die privilegierte Bürgerschaft schickt ihre Kinder in die Musikschule – wir machen die Breitenarbeit.

 

Hans Holzwarth hat selbst mit neun Jahren angefangen. 2016 wird er nach 37 Jahren als Musikreferent in den Ruhestand verabschiedet, dann muss ein junger Nachfolger auf einer halbierten Stelle die Nachwuchsarbeit weiter professionalisieren – das dürfte sehr schwer werden. Die Kirche hätte gern ausgerechnet an dieser Stelle gar noch mehr gespart.

Der jüngste Tubist der EKD

Nicht wenige Jungbläser springen wieder ab. Dass der Posaunenchor dennoch keine aussterbende Gattung sein muss, beweist der neunjährige Jan-Luca Ingerl. Er ist der jüngste Tubist der Evangelischen Kirche in Deutschland, wie Holzwarth „hundertprozentig“ glaubt. Erstmals im Alter von drei Jahren hat Jan-Luca einen Tubisten des Posaunenchors Ost gebannt beobachtet. Seither ließ ihn die Idee, es nachzumachen, nicht mehr los. „Da braucht man viel Puste“, erläutert er das Faszinosum des Instruments. Mit fünf begann er auf einem Euphonium, seit einem Jahr besitzt er seine Tuba – aber nicht die größte Version, sonst würde er mit seinen 136 Zentimetern Körpergröße dahinter verschwinden, und die kleinen Hände hätten keine Chance, die Ventile zu greifen. Sein Lehrer hält ihn für einen „kleinen Mozart“ – das lässt für künftige Kirchentage in Stuttgart hoffen.