In ganz Deutschland wird an diesem Donnerstag der Verkehr überwacht – so eng wie nie zuvor. Das Großaufgebot an Blitzanlagen soll mäßigend auf die Autofahrer wirken. Doch kann das gelingen?

Stuttgart/Hannover - Ob es wieder einen Anruf wie diesen bei der Polizei geben wird? Vor genau einem Jahr hatte sich ein Mann heftig darüber beschwert, dass er noch vor sechs Uhr morgens von einem Radargerät geblitzt worden war. „Dabei bin ich doch extra früh aufgestanden, weil es hieß, das Blitzmarathon beginnt um sechs!“, klagte der enttäuschte Verkehrssünder. Von der Polizei musste er nun erfahren, dass das 24-Stunden-Fenster keine Gewähr bietet. Geblitzt wird davor und danach – so ziemlich an allen Tagen im Jahr.

 

Das 24-Stunden-Blitzmarathon betrifft viele Autofahrer – oder könnte sie zumindest treffen. Laut einer aktuellen Umfrage von „Autobild“ mit einigen Tausend Teilnehmern gaben 59 Prozent an, „klar, schon öfter“ geblitzt worden zu sein. Nur 17 Prozent antworten dazu „nein, noch nie“. Und an diesem Donnerstag wird bei dem einen oder anderen Autofahrer im Land wieder der Blitz einschlagen. Das lässt sich aus der Auswertung des vergangenen Jahres ableiten.

Die Regierung sieht einen erzieherischen Effekt

Beim ersten Blitzer-Tag wurden in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr 15 093 Autofahrer von den Radargeräten als zu schnell erfasst. 280 waren so flott unterwegs, dass sie den Fahrersitz ihres Wagens für einige Wochen meiden mussten.

Wo wird in Stuttgart und der Region überall geblitzt? Hier finden Sie eine Übersicht zum 24-stündigen Blitzmarathon am Donnerstag!

Innenminister Reinhold Gall (SPD) zog dennoch ein positives Fazit. Nur 2,75 Prozent aller Autos seien registriert worden, weil sie schneller als erlaubt unterwegs waren. Normalerweise liegt diese sogenannte Beanstandungsquote bei rund zehn Prozent. Gall führte diese unerwartete Disziplin der Autofahrer auf die breite Medienberichterstattung zurück. Wenn von allen Seiten angekündigt werde, dass an einem Tag ganz besonders viel geblitzt wird, nähmen vermutlich viele Autofahrer den Fuß vom Gas. Jedenfalls für 24 Stunden und womöglich – so hoffen die Initiatoren – auch für die Zeit danach.

Einige Raser waren unbelehrbar

Das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen jedenfalls verweist auf Untersuchungen, wonach das Geschwindigkeitsniveau inner- wie außerorts über den Tag hinaus sinkt. In diesem Bundesland gab es im Jahr 2012 den ersten Blitzmarathon. Im vergangenen Jahr wurde dort an mehr als 3100 Kontrollstellen die Geschwindigkeit der Autofahrer gemessen. Dazu setzte die NRW-Polizei rund 140 Radar- und mehr als 650 Lasermessgeräte ein. In Dortmund wurde ein Autofahrer gleich zweimal mit zu hoher Geschwindigkeit gemessen. Das erste Mal raste er mit Tempo 96 statt der vorgeschriebenen 50 Stundenkilometer in eine Kontrollstelle. Nach der Kontrolle fuhr er mit quietschenden Reifen los und wurde prompt erneut gemessen, diesmal mit 78 Stundenkilometern. In Köln raste ein Autofahrer mit 91 Stundenkilometern durch eine Tempo-50-Zone.

Die Innenminister der Länder verständigten sich nach guten Erfahrungen auf eine bundesweite Ausdehnung. Im vergangenen Jahr richteten sich die Laserstrahlen in Deutschland auf drei Millionen Fahrzeuge. Genau 82 535 von ihnen bekamen wenig später Post, die sie wenig erfreut haben dürfte. Und fest steht bereits, dass auch in den kommenden Jahren am Tag des Blitzmarathons alle verfügbaren Geräte 24 Stunden lang im Einsatz sein werden.

Die Bürger dürfen Kontrollstellen vorschlagen

Die Begründung für den Aufwand nennt Innenminister Gall mit einem Satz, der auch Skeptiker überzeugen soll: „184 Menschen haben 2013 in Baden-Württemberg bei Verkehrsunfällen ihr Leben verloren, weil sie zu schnell gefahren sind.“ Diese Menschen könnten heute noch leben, so Gall weiter. In Baden-Württemberg werden an diesem Donnerstag 1118 Kontrollstellen eingerichtet. An Brennpunkten genauso wie an Nebenstraßen. 5600 Bürger hatten in den vergangenen Wochen der Polizei ihre „Aufregerstellen“ gemeldet. Fachleute überprüften die Sinnhaftigkeit einer Kontrolle an der vorgeschlagenen Stelle und legen dann die endgültigen Plätze fest. Wer eine Stelle gemeldet habe, die zum Messpunkt wird, erhalte eine Rückmeldung, heißt es im Innenministerium. Wo dann tatsächlich das Tempo überwacht wird, ist der Blitzmarathon-Website der Polizei zu entnehmen (blitzmarathon.polizei-bw.de). Dort werden die Plätze, an denen die Messgeräte postiert sind, zum „überwiegenden Teil“ vorher publik gemacht. In Stuttgart stehen die Blitzer unter anderem an der Neuen Weinsteige, der Pragstraße, der Heilbronner Straße, der B 27 bei Degerloch, der Mittleren Filderstraße und der B 14 am Schattenring.

Mit der Bekanntgabe will der Innenminister deutlich machen, dass es nicht um Abzocke geht. „Mit dem Blitzmarathon wollen wir die Autofahrer wachrütteln“, sagt Gall. Ziel sei, dass langsamer gefahren werde – und dass Verständnis geweckt wird. So werden die die Tippgeber für die Blitz-Punkte vor Ort als „Paten“ eingeladen und können sich mit den Beamten über die Messpunkte unterhalten. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht Freunde oder Nachbarn in ihre Falle tappen. Das könnte die eine oder andere gute Beziehung vielleicht gefährden.

Wo wird in Stuttgart und der Region überall geblitzt? Hier finden Sie eine Übersicht zum 24-stündigen Blitzmarathon am Donnerstag!