Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Tötungsdelikte unter Jugendlichen

Wie häufig sind Tötungsdelikte unter Jugendlichen?
Tötungsdelikte unter Jugendlichen sind nach Expertenangaben extrem selten. „Tödlich endende Beziehungstaten sind eher ein Erwachsenenthema“, sagt die Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen, Theresia Höynck mit Blick auf die erstochene 15-Jährige im pfälzischen Kandel. „Beziehungen unter Jugendlichen sind meist kürzer. Bei Erwachsenen steht bei einer Trennung oft mehr auf dem Spiel: gemeinsame Kinder und Freunde, Verknüpfung mit Geld und Status“, betont Höynck. Zu den extrem seltenen Tötungsdelikten unter Jugendlichen zählten auch eher welche, bei denen ein Streit vermutlich aus dem Ruder gelaufen und wohl kein tödliches Ende geplant gewesen sei. Oder wenn männliche Jugendliche etwa mit illegalen Autorennen oder gefährlichen Mutproben auftrumpfen wollten.

Präventivgewahrsam

Hätte die Polizei mehr tun können?
Die Polizei verfügt über diverse Mittel, um zu verhindern, dass einer Drohung auch Taten folgen. Wenn beispielweise eine Person eine andere mit einem Verbrechen droht, kann dies mit einem Jahr Gefängnis bestraft werden. Häufig werden Verfahren trotz Strafantrags von der Staatsanwaltschaft aber wegen mangelnden öffentlichen Interesses eingestellt. Ist die Schuld geringfügig oder sind schwerwiegendere Straftat zu verfolgen, kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen.
Wäre ein präventive Verhaftung möglich gewesen?
Generell ja. Die Polizei darf Verdächtige in Gewahrsam nehmen. Da das Polizeigewahrsam aber erheblich in die Freiheitsrechte einer Person eingreift, muss es stichhaltige Gründe geben, jemand in eine Haftzelle zu stecken. Ohnehin darf diese Maßnahme nicht länger als bis zum Ende des darauffolgenden Tages dauern. Eine Untersuchungshaft ist nur auf richterliche Anordnung hin und mit Haftbefehl möglich. Dafür müssen die Hinweise auf eine bevorstehende Straftat aber schwerwiegend sein.

Umgang mit Gefährdern

Wie geht die Polizei mit Gefährdern um?
Für sogenannte Gefährder gelten Ausnahmeregeln. Dabei handelt es sich um Personen, die aufgrund ihrer extremistischen Gesinnung (Links-/Rechtsextreme, Islamisten) potenziell jederzeit schwere (und oft politisch motivierte) Straftaten begehen könnten. Extremisten oder potenzielle Mörder können vorbeugend in Haft genommen werden.
Diese Maßnahme ist rechtlich gesehen eine „Ultima Ratio“ (wörtlich: das letzte Mittel) und wird im Strafrecht als Unterbindungs- oder Präventivgewahrsam bezeichnet. Gemeint ist damit: Die Gefangennahme einer Person, obwohl diese keiner mit einer Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist. Zweck des Gewahrsams ist es, Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung zu verhindern. Die Dauer reicht von einem Tag (Nordrhein-Westfalen) über 14 Tage (Baden-Württemberg) bis unbegrenzt (Bayern).
Das strafrechtliche Instrument des Präventivgewahrsams ist vor allem aufgrund der Erfahrungen mit der polizeilichen Vorbeugehaft im Dritten Reich höchst umstritten. Ähnlich der von der Gestapo verhängten Schutzhaft konnten Menschen während des nationalsozialistischen Regimes von der Kriminalpolizei ohne richterlichen Beschluss zeitlich unbegrenzt inhaftiert werden.

Objekt- und Personenschutz

Wie können bedrohte Personen geschützt werden?
Ein weitere polizeiliche Maßnahme ist die sogenannte Gefährdetenansprache. Die Polizei kann potenziell gefährdete Personen darüber aufklären, ob und inwieweit sie gefährdet sind. Die Maßnahmen können sowohl Personen- wie Objektschutz beinhalten. Personalmangel und/oder die Einschätzung, dass der Tatverdacht nicht schwerwiegend genug sei, schränken dieses Präventiv-Instrument allerdings ein.

Jugendstrafrecht

Wie geht der Rechtsstaat mit jugendlichen Straftätern wie Abdul D. um?
Wer das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, gilt rechtlich als Kind und ist strafunmündig. Für Erwachsene hingegen gilt das allgemeine Strafrecht, für Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren das Jugendstrafrecht. Laut Jugendgerichtsgesetz beträgt das Höchstmaß der Jugendstrafe zehn Jahre. Häufig bleibt das Strafmaß aber darunter. Bei Mord und wegen der besonderen Schwere der Schuld kann das Höchstmaß 15 Jahre betragen.
Nach Aussage der Leitenden Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig ist gegen den 15-jährigen Afghanen Haftbefehl wegen Totschlags ergangen.