Die NSA soll versucht haben, mit Hilfe des BND Firmen auszuspionieren. Die Opposition hat deshalb den Innenminister im Visier. Der kann im Kontrollgremium einen Teil der Vorwürfe kontern. Grüne und Linke überzeugt er aber nicht.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kämpft in einem abhörsicheren Raum des Bundestags um seine Ehre. Er, der in seiner Außendarstellung so großen Wert auf Recht und Ordnung legt, soll geschlampt, womöglich sogar gelogen haben. Die Opposition beschimpft ihn, als sei er nichts weiter als ein lausiger Landesverräter. In seiner Zeit als Kanzleramtsminister von 2005 bis 2009 soll der ihm damals unterstellte Bundesnachrichtendienst trotz vorheriger Warnungen aus dem Ruder gelaufen und der US-Geheimdienst NSA über deutsche Staatsbürger und Unternehmen hergefallen sein. Ein ungeheurer Vorwurf. Deshalb hängt viel von diesem Auftritt vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium ab. Nicht nur die Frage, ob er als Innenminister im Amt bleiben kann, sondern auch, ob er noch glaubwürdig seine Rolle als korrekter, demütiger Staatsdiener spielen kann.

 

De Maizière konterte zuletzt die Aufregung mit dem Anschein größtmöglicher Routine. Aber so ganz kann er nicht verbergen, wie sehr ihm die Vorwürfe zusetzen. Als er von Journalisten vor der Sitzung des Kontrollgremiums gefragt wird, ob er sich fair behandelt fühlt, zögert er kurz. Dann knurrt er knapp: „Darauf sollte ich besser nicht antworten.“

Vorwurf trifft nicht nur de Maizière

Er hatte zuletzt den Eindruck hinterlassen, als dränge es ihn, reinen Tisch zu machen. Aber er fühlte sich an die Schweigegelübde gebunden, die das Geheimdienstgeschäft mit sich bringen. Hier aber, in dem Raum, in dem die vom Parlament ausgewählten Kontrolleure der deutschen Geheimdienste regelmäßig tagen, kann er auspacken, die Dinge geraderücken.

Das ist auch dringend nötig. Denn de Maizière saß zuletzt ganz schön in der Patsche. Sein Ministerium hat der Linke-Fraktion auf eine Anfrage am 14. April die Antwort zukommen lassen, es lägen „weiterhin keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA vor“. Dabei hatten vom 12. März an im Kanzleramt die Alarmglocken geläutet, weil Hinweise auf ungehörige NSA-Machenschaften mit unklarer BND-Beteiligung eingegangen waren, die ein bedrohliches Interesse des US-Dienstes an europäischen Unternehmen erkennen ließen. Dieser Vorwurf trifft de Maizière immerhin nicht allein. Denn die Anfrage der Linken ging über den Schreibtisch des Kanzleramtschefs Peter Altmaier, dem zurzeit die Aufsicht über die Schlapphüte obliegt.

Der Innenminister sucht die Offensive

Bleibt gleichwohl die Frage, ob de Maizière bereits zu seiner Zeit als Kanzleramtsminister von 2005 bis 2009 Hinweise auf Wirtschaftsspionage durch die NSA erhielt. Die Opposition vermutet dies. Denn 2008 soll de Maizière vom BND gewarnt worden sein, dass die NSA die im Jahre 2002 vereinbarte enge Zusammenarbeit in problematischer Weise ausweiten wolle. De Maizière bestreitet nicht, dass es Warnungen gab. Im Kontrollgremium stellt er aber klar, dass damals von Wirtschaftsspionage noch keine Rede war.

De Maizière geht nun seinerseits in die Offensive. Nach der Sitzung sagt er vor Journalisten, er habe 2008 die von amerikanischer Seite gewünschte Ausweitung der Kooperation mit dem BND abgelehnt. „Von daher bleibt von den gegen mich erhobenen Vorwürfen nichts übrig“, so de Maizière. Welche Art der Ausweitung die NSA erbat, will er allerdings nicht sagen.

Grüne sehen weiter offene Fragen

Der Vorsitzende des Kontrollgremiums, André Hahn (Linke), räumt zwar ein, dass in den vorliegenden Unterlagen, die de Maizière direkt betreffen, keine Hinweise auf Wirtschaftsspionage zu finden seien, aber damit sei die Aufklärung noch nicht beendet. Auch der Grünen-Kontrollveteran Hans-Christian Ströbele will de Maizière noch nicht freisprechen. Er frage sich, warum der Minister damals nicht auf die Idee gekommen sei, beim BND genauer nachzuforschen, warum man dort gegenüber der NSA so misstrauisch geworden war.

Die Opposition will außerdem wissen, weshalb mit der Überstellung offenbar rechtswidriger Suchanfragen aus den USA an den BND eintrat, was de Maizière angeblich abgelehnt hatte. Denn im April wurde bekannt, dass die NSA den BND mit mehreren Millionen sogenannter Selektoren beliefert hat, die wie Suchbegriffe den Datenstrom des BND durchkämmen. Der BND-Spitze fiel angeblich erst vor Kurzem auf, dass sich seit 2008 rund 40 000 NSA-Suchbegriffe auf deutsche oder europäische Personen oder Unternehmen bezogen. De Maizière bestreitet, 2008 von diesen Selektoren erfahren zu haben. Die Opposition glaubt, erst dann Gewissheit zu haben, wenn die Liste mit den Selektoren vorliegt. Diese Liste aber will das Bundeskanzleramt, wenn überhaupt, erst nach Konsultationen mit den USA vorlegen. In dieser Frage wissen Linke und Grüne auch die SPD auf ihrer Seite. SPD-Chef Sigmar Gabriel höchstpersönlich hat gefordert, auf die Befindlichkeiten der USA in diesem Fall nicht weiter Rücksicht zu nehmen.