Die Spionage-Affäre des BND belastet das Klima in der großen Koalition. SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert nun Aufklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte an, im Geheimdienstausschuss des Bundestags zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Berlin - Die Spähaffäre um den BND belastet zunehmend das Klima in der großen Koalition. Die SPD forderte am Montag Aufklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Das Kanzleramt müsse dem Bundestag interne Informationen zu der Affäre zugänglich machen, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte an, am Mittwoch im Geheimdienstausschuss des Bundestags zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

 

Gabriel machte deutlich, welche Brisanz die SPD der Affäre inzwischen zumesse: Sie sei „geeignet, eine schwere Erschütterung auszulösen“. Ausdrücklich verwies Gabriel auf die Rolle der Kanzlerin. Er habe Merkel zweimal gefragt, ob ihr Hinweise auf Wirtschaftsspionage gegen deutsche Firmen vorlägen. „Beide Male ist das von der Kanzlerin verneint worden“, sagte der Vizekanzler. „Ich habe keinen Zweifel, dass die Kanzlerin auf meine Frage korrekt geantwortet hat“, sagte er. Sollte es aber Spitzeleien gegeben haben, „wäre das eine schwere Belastung des Vertrauens der Wirtschaft in staatliches Handeln“.

In der Affäre geht es derzeit um die Frage, ab wann das Kanzleramt in die Details der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem US-Geheimdienst NSA eingeweiht war. Es ist unklar, ob das Amt rechtswidrige Abhörpraktiken etwa gegen europäische Unternehmen und Behörden zugelassen und dem Parlament verschwiegen hat.

Merkel verteidigt Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten

Merkel äußerte sich am Montag nur knapp zu der Affäre. Die Bundesregierung werde den zuständigen Gremien des Bundestags „Rede und Antwort stehen“, sagte sie. Die Zusammenarbeit des BND mit ausländischen Diensten verteidigte die Kanzlerin: „Der BND muss und wird weiter international kooperieren.“

Der stellvertretende CDU-Chef Thomas Strobl warnte die SPD mit Blick auf Gabriels Äußerungen davor, in der Affäre „parteipolitische Vorteile zu suchen“. Zu „Dramatisierung“ bestehe kein Anlass, sagte er zu „Spiegel Online“.

Weiteren Druck auf das Kanzleramt baute Gabriel mit der Forderung auf, dem NSA-Untersuchungsausschuss für die Sitzung am Donnerstag Geheiminformationen des BND zukommen zu lassen. Dies hatte bislang die Opposition gefordert. Dabei geht es um die Liste sogenannter Selektoren, auf deren Grundlage der BND im Auftrag der NSA auch deutsche Ziele ausgeforscht haben soll. Ohne diese Liste könne das Parlament „die Aufklärungsarbeit nicht leisten“, sagte Gabriel.

Altmaier und De Maizière stellen sich Gremium

Am Mittwoch werden de Maizière und Kanzleramtsminister Peter Altmaier dem Parlamentarischen Kontrollgremium den Bundestags Rede und Antwort stehen. De Maizière sprach in Berlin von „Unterstellungen“, die er vor dem Gremium entkräften wolle.

Es steht der Verdacht im Raum, de Maizière könnte bereits 2008 als Chef des Kanzleramts Informationen erhalten haben, wonach die NSA mit Hilfe des BND europäische Firmen sowie ranghohe Politiker der EU und aus befreundeten Ländern ausspioniert habe. Diesen Vorwurf wies de Maizière am Montag erneut zurück: Es sei 2008 nicht um „konkret belastbare Erkenntnisse über Missbräuche der NSA“ gegangen.

BND-Präsident Gerhard Schindler warnte unterdessen vor Schaden für seine Behörde. In Berlin sprach Schindler von der „medialen stückweisen Zerlegung eines Nachrichtendiensts“. Dies schädige die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten, auf die Deutschland angewiesen sei. Den Vorwurf des Landesverrats wies Schindler zurück. Der BND arbeite mit den USA zusammen, sei aber „kein willfähriges Werkzeug der USA“.