Rund 70 Bürger haben sich bisher wegen der Preissteigerung bei der Fernwärme beschwert. Sie seien aber nötig, so die Stadtwerke, um das Netz zu erneuern.

Böblingen - Den Stadtwerken Böblingen flattern immer mehr Beschwerdebriefe und Protest-Mails ins Haus. In der vergangenen Woche war noch von etwa einem Dutzend Kunden die Rede, die sich

 

gegen die Anhebung der Grundgebühr bei der Fernwärme um durchschnittlich 21,1 Prozent – das sind 173 Euro im Jahr – wehrten. Nun liegen dem Vernehmen nach rund 70 Schreiben vor. „Das sind nicht viele“, meint der SPD-Stadtrat Jochen Reisch, „das liegt auch an der Urlaubszeit.“ Außerdem sei die Erhöhung wohl ein Schnellschuss. Wie viele andere wünscht sich auch er – selbst Bezieher von Fernwärme – mehr Informationen von den Stadtwerken, weshalb die Gebührenerhöhung für nötig erachtet wird. Dort ist zu erfahren, dass nicht genügend Geld für die nötige Sanierung der alten Leitungen vorhanden sei. „Wir haben keine Rücklagen“, sagt Jan Kohlmeyer, der Leiter Unternehmensentwicklung bei den Stadtwerken. Deshalb sei man auf höhere Gebühren angewiesen.

Viele können auf keine andere Energiequelle umsteigen

Reisch war nach eigenem Bekunden „geplättet“, als er jüngst über die Anhebung der Grundgebühr von 10,83 Euro auf 34,39 Euro pro Kilowatt informiert wurde. Für ihn bedeute das bei seiner Fernwärmeabrechnung inklusive der Verbrauchskosten ein Anstieg von 55 Prozent. „Die Kunden können sich kaum dagegen wehren, weil sie auf die Wärmelieferung angewiesen sind. Zumal der Herbst und der Winter vor der Tür stehen“, sagt Eckhard Benner von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Viele könnten gar nicht auf eine andere Energiequelle umsteigen, auch wenn sie selbst viel Geld in eine neue Heizung investierten. So ist es etwa auch bei der Familie Reisch. Eine Gasleitung in der Straße gibt es nicht, an die sie sich anschließen lassen könnte. „Ich habe mir überlegt, mit Pellets zu heizen“, sagt Jochen Reisch, „doch kommt das wegen der Anschaffungskosten viel zu teuer.“ Außerdem müsse er einen Raum haben, um die Pellets zu lagern.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Paul Nemeth prangerte kürzlich an: „Das sind Verhältnisse fast wie in der DDR.“ Die Verbraucherzentrale empfiehlt deshalb, sich an die Landeskartellbehörde zu wenden. „Das haben wir schon getan“, sagt Peter Aue von der Interessengemeinschaft Fernwärme Böblingen (IGFW-BB). „Wir haben die Auskunft erhalten, dass an der Preisanhebung nichts auszusetzen sei“, berichtet Aue. Mit der Begründung, das Böblinger Gebührenniveau sei nicht auffallend hoch.

Stadtwerke machen Minus

Die Interessengemeinschaft pocht derweil darauf, mehr über den Investitionsstau bei der Sanierung der Leitungen und generell über die finanzielle Situation bei den Stadtwerken zu erfahren. Der erste Wirtschaftsplan seit der Neugründung im Jahr 2013 soll nun im Herbst dem Gemeinderat vorgelegt werden, der Plan für 2014 erst im kommenden Jahr. „Wir haben erst eine Bestandsaufnahme machen und die Zahlen erheben müssen. Das war schwierig und zeitaufwendig“, sagt Kohlmeyer.

Für das Jahr 2013 schlägt ein Verlust von einer Million Euro zu Buche, für voriges Jahr wird mit einem ähnlich hohen Defizit gerechnet. „Die Höhe der Abschreibungen für die alten Leitungen deckt nicht unsere permanent notwendigen Investitionen für die Sanierung“, heißt es bei den Stadtwerken. „Als wir den früheren Eigenbetrieb übernommen haben, war kein Geld da“, sagt Kohlmeyer, man habe die Kunden von Gebührenerhöhungen ziemlich verschont.