Die Böblingerin Sylvia Kontusch betreut unentgeltlich zwei junge Flüchtlingsfrauen und deren Kinder. Sie ist eine von vielen Ehrenamtlichen im Kreis, die sich um Asylsuchende kümmern.

Böblingen - Selig schlummert die kleine Ya Ngoneh im Arm ihrer Mutter, so als könne sie kein Wässerchen trüben. „Sie ist nicht immer so brav. Vor allem nachts schreit sie oft und viel“, berichtet Aisha Conteh. Gerade einmal 18 Jahre ist die Frau aus Gambia. Und ganz allein mit ihrer zwei Monate alten Tochter. Kurz nach der Geburt der Kleinen wurde sie von einer Mannheimer Flüchtlingsunterkunft nach Böblingen verlegt.

 

Wie gut, dass die junge Mutter da nicht ganz auf sich allein gestellt ist. Unterstützt wird sie von Sylvia Kontusch. Die 49-Jährige engagiert sich seit ein paar Wochen als ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuerin. Mindestens einmal pro Woche trifft sie sich mit Aisha Conteh, die kaum älter ist als ihre eigenen Kinder im Teenageralter. „Sylvia ist wie eine Mutter für mich“, sagt auch die Frau aus Gambia. „Sie hilft mir viel.“

Viele Arztbesuche stehen auf dem Plan

Gefragt ist die Betreuerin vor allem als Begleiterin bei Arztbesuchen. „Die kleine Ya Ngoneh hatte bei der Geburt Fruchtwasser in den Ohren. Das muss jetzt überprüft werden“, sagt Sylvia Kontusch. Und Aisha Conteh habe in der Schwangerschaft unter Diabetes gelitten. „Auch da gab es zusätzliche Untersuchungen. Zum Glück ist jetzt alles wieder in Ordnung“, sagt die Betreuerin. Und sie lobt die junge Mutter. „Aisha ist stets ruhig, nie aggressiv oder nervös mit dem Baby, obwohl sie wegen ihres unsicheren Rechtsstatus in ständiger Angst lebt.“

Ohne die Hilfe der Böblingerin würde sich die Flüchtlingsfrau hier wohl kaum zurechtfinden. Trotz der Hebamme, die sie immer wieder besucht, und trotz der Sozialbetreuerin im Heim. Doch diese individuelle Begleitung, wie sie Sylvia Kontusch bietet, können die Hauptamtlichen nicht leisten. „Eine Sozialbetreuerin ist für 140 Flüchtlinge zuständig“, sagt Kontusch. Schon die Verständigung ist für die Gambianerin schwierig. Zum Glück kann sie ein wenig Englisch. Lesen und Schreiben aber hat sie nie gelernt, nie eine Schule besucht.

„Ich heiße Aisha, bin 18 Jahre alt, komme aus Gambia“ – soviel kann sie immerhin schon auf Deutsch sagen. Und zählen hat sie auch gelernt im Konversationskurs, den Kontusch und ihre Mitstreiter von den Sieben-Tage-Adventisten einmal pro Woche in ihrem Gemeindehaus anbieten.

Konversationskurs als Treffpunkt

„Wir haben uns in unserer Gemeinde überlegt, wie wir uns in der Stadt einbringen können. Die Böblinger Integrationsbeauftragte machte uns auf das Flüchtlingsheim in unserer Nachbarschaft aufmerksam“, sagt Kontusch. Seit drei Monaten engagieren sich nun 15 Gemeindemitglieder für die Flüchtlinge. 20 bis 30 Flüchtlinge kommen laut Kontusch jede Woche zum Konversationskurs. In kleinen Gruppen lernen bis zu zehn Ehrenamtliche mit den Männer und Frauen. Für die Flüchtlinge gehe es dabei um mehr als Konversation: „Es ist auch eine Möglichkeit, aus dem Heim herauszukommen und Deutsche zu treffen“, betont Sylvia Kontusch.

Fünf bis sechs Stunden pro Woche engagiert sich die 49-Jährige für die Flüchtlinge. Neben dem Konversationskurs und der Patenschaft für Aisha Conteh betreut sie noch eine Irakerin und deren Tochter. „Ich bin bei meinem Mann angestellt, der ein Versicherungsbüro betreibt und kann mir deshalb meine Arbeitszeit einteilen“, sagt Kontusch.

Mit ihrer herzlichen Art und ihrem Pragmatismus erobert die Böblingerin die Herzen der Flüchtlinge im Sturm. Wenig weiß sie hingegen über die rechtliche Situation und ist dankbar für die Unterstützung durch erfahrene Ehrenamtliche. „Ich nehme regelmäßig an den Sitzungen des Freundeskreises Flüchtlingshilfe teil. Dort erhalte ich wichtige Informationen.“ Auch bei mehreren Fortbildungen der Ehrenamtsbeauftragten in der Flüchtlingshilfe war Kontusch dabei. „Mir war nicht bewusst, wie kompliziert das ist, dass es nicht einen Status für Flüchtlinge gibt, sondern mehrere.“ Kompliziert sei es beispielsweise, wenn Flüchtlinge im Asylbewerberstatus – wie etwa Aisha – zum Arzt wollen. „Da müssen sie jedes Mal zuerst eine Genehmigung vom Landratsamt einholen.“

Doch solche bürokratischen Hindernisse können Sylvia Kontusch nicht entmutigen. Sie will in jedem Fall weitermachen: „Wir wollen den Menschen zeigen, dass sie bei uns willkommen sind.“