Hausbesitzer können ihre Schäden, die von der Geothermie verursacht wurden, vor dem Winter nicht reparieren, weil sie keine finanzielle Unterstützung erhalten und sich die Rissebildung auch nach der Sanierung der Bohrlöcher fortsetzt.

Böblingen - Hans-Peter Braun ist ziemlich ungehalten. Er deutet auf den Riss einer Dehnfuge, der sich zwischen seinem und dem Nachbarhaus in der Böblinger Kniebisstraße gebildet hat. Ein Gutachter hat an der Fuge einen Rissmonitor angebracht. „Innerhalb von vier Wochen ist sie um zwei Millimeter weiter aufgeklafft“, sagt der 58-Jährige. Die beiden Gebäude driften immer weiter auseinander, so dass man fast schon einen Finger hineinstecken kann. Braun wollte die Fuge, in die Wasser eindringt und die Wand durchnässt, noch vor dem Winter reparieren. Das koste rund 2500 Euro, der Gutachter habe aber davon abgeraten, weil sich der Riss wohl noch weiter ausdehnen wird.

 

„Dann könnte ich die Fuge in zwei, drei Monaten wieder sanieren lassen und noch einmal 2500 Euro ausgeben“, erklärt Braun – die Summe müsste er erneut aus eigener Tasche bezahlen. Denn einen Hilfsfonds für die nötigen Gebäudereparaturen gibt es immer noch nicht. Rund 200 Häuser in Böblingen haben nach Geothermiebohrungen zwischen den Jahren 2006 und 2008 Schäden erlitten. Gipskeuper und Wasser bringen die Erde zum Aufquellen, wodurch sich der Boden hebt und mancherorts bis zu zweieinhalb Zentimeter breite Gebäuderisse entstanden sind.

Zwölf von 17 Bohrlöchern sind saniert

„Es gibt auch Erdsenkungen“, hat der Hausbesitzer Erich Weiß aus dem Adalbert-Stifter-Weg beobachtet. Ein Gutachter habe ihm diese attestiert, nachdem sich bei ihm ebenfalls Risse gebildet hatten. Sein Eigenheim liege eigentlich außerhalb des vom Landratsamt ermittelten Gebiets der betroffenen Hausbesitzer. Er habe die Schäden dem Landratsamt gemeldet.

„Es war nie von Senkungen die Rede“, sagt Dusan Minic, der Pressesprecher des Landratsamts. Die Satellitenmessungen hätten gezeigt, dass es „keine relevanten Senkungen gibt“. Vielmehr sei es so, dass sich die Erdhebungen seit der Sanierung von zwölf der 17 schadhaften Bohrlöcher deutlich verringert hätten. „Aktuell betragen sie im südlichen Wohngebiet in Böblingen noch fünf Millimeter pro Jahr“, sagt der Behördensprecher. Zuvor habe sich die Erde noch um 3,4 Zentimeter jährlich gehoben. Im Süden wurden bisher sieben Löcher mit Zement ausgegossen, in dem im Norden liegenden Gebiet zwei kaputte Löcher saniert.

Reparaturen und Gutachter aus eigener Tasche bezahlt

Die Reparatur der restlichen fünf schadhaften Löcher liegt immer noch auf Eis, weil die nötigen Werkzeuge erst noch erprobt werden müssen. „Wie lange sich die Erde noch hebt, können wir derzeit noch nicht abschätzen“, berichtet Minic. Für die Hausbesitzer Hans-Peter Braun und Erich Weiß ist das ein Alarmzeichen, „dass nun endlich etwas geschehen muss“. Zwar haben die drei Versicherungen, die Allianz, die Württembergische und die AIG, bei der die Bohrfirma Gungl unter Vertrag stand, laut Bernd Hommel von der Interessengemeinschaft Erdhebungen Böblingen (IGE-BB) insgesamt 140 000 Euro für Gutachten und dringliche Maßnahmen in Aussicht gestellt. Darunter fallen aber nur akute Arbeiten, etwa wenn es um eine Wasserleitung geht, die zu bersten droht. Die Kostenübernahme von anderen Reparaturen ist nicht vorgesehen. 45 000 Euro seien zunächst geflossen, erklärt Hommel. Davon seien aber erst 10 000 bis 20 000 Euro von den rund 200 IGE-BB-Mitgliedern abgerufen worden.

Antonio La Marra, der aus seinem Haus ausziehen musste, weil es statisch nicht mehr als sicher galt, hat sein Heim im Keller abstützen lassen, um es wieder nutzen zu können. Er hat für die Sanierungsarbeiten einen Kredit aufgenommen, den er nun abstottert. Andere Hausbesitzer haben ebenfalls Reparaturen und Gutachter aus eigener Tasche bezahlen müssen. „Sie lassen uns im Regen stehen“, sagt Braun zum Engagement der Versicherungen und nicht zuletzt im Blick auf die Verantwortlichen im Landratsamt und in Bezug auf die Politiker. Denn auf der juristischen Schiene komme man nicht weiter. „Es ist noch zu klären, welche Versicherung für welche Bohrung vertraglich in der Verantwortung steht“, bestätigt Minic.

Klage gegen Versicherung nicht möglich

Fritz Ott, ebenfalls ein von Gebäuderissen betroffener Bürger, weiß von einem Schriftverkehr mit dem Ersten Landesbeamten Martin Wuttke, der einer Hauseigentümerin geschrieben habe, sie solle sich doch direkt mit der Versicherung auseinandersetzen. „Wir können die Versicherer aber nicht verklagen, weil wir mit ihnen keinen Vertrag haben“, erklärt Ott. Wuttke habe seine Aussage revidiert und bestätigt, dass sich die Betroffenen nur an den Verursacher wenden könnten, also an die Firma Gungl. Doch diese hat Insolvenz angemeldet.

„Wir benötigen einen Ausgleichsfonds, den das Land ins Leben rufen muss“, erklärt Ott weiter, damit die Hausbesitzer entschädigt werden. Bernd Hommel von der IGE-BB hält das jedoch nicht für den richtigen Weg. Wenn es zu Überschwemmungen komme und das Land helfe, sei das etwas anderes, als wenn eine Bohrfirma und deren Versicherungen verantwortlich zu machen seien. Es gelte hier das Verursacherprinzip. Die Firma Gungl habe zu ihrer Haftpflichtversicherung eine Zusatzversicherung abschließen müssen, bei der jede Bohrstelle mit einer Million Euro versichert sei. „Unser Rechtsanwalt ist der Auffassung, dass die Allianz da nicht aus der Verantwortung rauskommt“, sagt Hommel. Wie lange es dauert, bis die Hausbesitzer Geld erhalten, kann auch er natürlich nicht voraussehen. Erst wenn dieses Geld nicht reiche, könnte das Land in die Bresche springen, meint er.