Dubiose Anrufer haben es bei Firmen auf deren Fachkräfte abgesehen und wollen sie abwerben. Sie treten als IHK-Mitarbeiter auf und bieten Seminare an.

Böblingen - Bei einer 44 Jahre alten Leiterin der Personalentwicklung klingelte jüngst das Telefon. „Die Nummer war unterdrückt“, berichtet die Mitarbeiterin eines Unternehmens im Landkreis Böblingen. Der Mann habe sich mit einem Namen gemeldet und gesagt, er sei von der IHK. „Ich habe gleich gedacht, dass da etwas nicht stimmen kann“, sagt die Personalchefin. Sie habe den Mann gefragt: „Von welcher IHK sind Sie?“ Der Mann habe ihr dann erklärt, er verstehe sie ganz schlecht, und habe wieder aufgelegt. Das war nicht der einzige solcher Anrufe, welche die 44-Jährige erhielt. Sie wandte sich an die Industrie- und Handelskammer in Böblingen, wo die Namen der Anrufer jedoch nicht bekannt sind..

 

IHK warnt vor dubiosen Anrufen

„Wir warnen vor solchen dubiosen Anrufen, die derzeit im Kreis getätigt werden“, sagt Tilo Ambacher von der Böblinger IHK. Sie hätten allesamt wohl ein Ziel: an die Kontaktdaten von Mitarbeitern der Unternehmen zu gelangen, um diese dann gezielt abzuwerben. „Unter dem Vorwand, sie seien Angestellte bei der IHK, lassen sie sich zu den Personalchefs durchstellen“, so Ambacher. Mit dem unzutreffenden Hinweis, sie gehörten der IHK an, gelinge es ihnen, der Telefonzentrale ihre Seriosität vorzugaukeln.

„Unser Empfang ist darauf geschult, näher nachzufragen, um was es dem Anrufer geht“, erklärt die 44-Jährige Betroffene. Doch manchmal schafften es die Headhunter doch, zu ihr vorzudringen. Dabei hätten die Werber es noch viel einfacher, wenn sie einfach auf die Internetseite der Firma schauen würden, wo führende Mitarbeiter mit ihren Durchwahlen aufgeführt sind. Glücklicherweise sei zuletzt niemand mehr aus ihrer Firma zu einem anderen Unternehmen gewechselt. Schließlich seien die Fachkräfte in ihrer Branche mittlerweile rar gesät.

Fachkräftemangel auch im Kreis Böblingen

„Die Leute melden sich oft mit einem Trick und behaupten etwa, dass sie als Student eine Diplomarbeit schreiben würden und eine Fachkraft sprechen wollten. Oder sie bieten einen Kurs oder eine Fortbildung an“, berichtet Ambacher. Nach mehreren wirtschaftlich erfolgreichen Jahren sei die Lage auf dem Fachkräftemarkt für die Unternehmen im Kreis immer schwieriger geworden, erklärt der IHK-Mitarbeiter. In manchen Bereichen sei der regionale, teilweise sogar der bundesdeutsche Markt leer gefegt und die Unternehmen erhielten auf Stellenangebote kaum oder überhaupt keine Zuschriften mehr, sagt Ambacher.

Dies sei wohl auch der Grund für ähnliche Anrufe im Kreis Esslingen vor einem Jahr im Kreis Esslingen gewesen. Hilde Cost, die leitende Geschäftsführerin der IHK Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen, bestätigt: „In einigen Unternehmen gab es ebenfalls Gespräche mit vermeintlichen IHK-Mitarbeitern. Sie haben mitunter sogar real existierende Namen verwendet.“ Auch in diesem Fällen stand keine Nummer auf dem Display der Personalchefs. „Sie haben für Seminare und Veranstaltungen geworben“, so Cost. Die Anrufer hätten versucht, an Durchwahlen und E-Mail-Adressen zu gelangen. Wie viele Abwerbungsversuche es gab, können freilich weder Cost noch Ambacher sagen. „Es haben sich wohl nicht alle betroffenen Firmen bei uns gemeldet“, vermutet Cost.

Polizei: Keine rechtliche Handhabe

Die Esslinger Geschäftsführerin wandte sich darauf hin an die Polizei und erhielt die Auskunft, dass diese Telefonate nicht rechtswidrig seien. Tatsächlich stellt Yvonne Schächtele, die Pressesprecherin des Ludwigsburger Polizeipräsidiums, fest: „Solche Anrufe stellen eine so genannte straflose Vorbereitungshandlung dar. Dafür gibt es keine rechtliche Handhabe.“ Es sei schließlich legitim, Mitarbeiter abzuwerben. Strafrechtlich verfolgt werde ein solcher Vorgang nur, wenn der Anrufer einen Job oder Geld anbiete, und sein Versprechen nicht einlöse, so Schächtele.

„Allein der Hinweis auf ein Fachseminar ist nicht rechtswidrig“, weiß auch die 44 Jahre alte Personalchefin aus dem Kreis Böblingen. Grundsätzlich könne man es nicht vermeiden, dass Headhunter anriefen. Sie selbst sei auch schon einmal von einem angesprochen worden. Dieses Gespräch habe sie jedoch schnell beendet.