Die Staatsanwaltschaft lässt prüfen, ob es sich bei dem Überfall am vergangenen Wochenende am Böblinger Bahnhof um versuchten Totschlag handelt. Die Polizei vernimmt Zeugen.

Böblingen - Gefährliche Körperverletzung oder versuchter Totschlag? Diese Frage soll nun die Böblinger Kriminalpolizei klären. Sie ermittelt gegen vier junge Männer, die in der Nacht zum Samstag in der S-Bahn zwischen Stuttgart und Böblingen sowie in der Böblinger Bahnhofsunterführung zwei unbeteiligte Personen angegriffen und dabei verletzt haben (wir berichteten). Zunächst hatte die Bundespolizei, die für Straftaten in Zügen zuständig ist, die Vorfälle als gefährliche Körperverletzung eingestuft. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft meint, dass es sich in einem Fall sogar um ein versuchtes Tötungsdelikt handeln könnte, und hat die Kriminalpolizei damit beauftragt, dies zu untersuchen.

 

„Unsere Beamten werden in den kommenden Tagen sämtliche Zeugen vernehmen“, sagt der Polizeisprecher Peter Widenhorn zum weiteren Vorgehen. 18 Zeugen habe die Polizei auf der Liste, darunter auch die acht anderen Mitglieder der Gruppe, zu der auch die mutmaßlichen Schläger gehörten. Es sei nicht ausgeschlossen, dass aus dem einen oder anderen Zeugen im Zuge der polizeilichen Ermittlungen ein weiterer Tatverdächtiger werde.

Am Anfang rassistische Beleidigungen

Die Gruppe von zwölf Personen – alles Jugendliche und Heranwachsende – hatte um kurz vor 1 Uhr in der S-Bahn-Linie 1, die von Kirchheim/Teck nach Herrenberg fährt, zunächst einen unbekannten Mann wegen seiner dunkler Hautfarbe beleidigt. Als ein 20-jähriger Fahrgast eingriff und die Pöbler aufforderte, dies zu unterlassen, griffen einige der jungen Männer den 20-Jährigen aus Herrenberg an. Sie schlugen und traten ihn, bis sie in Böblingen den Zug verließen. Einer der Angreifer kam jedoch noch einmal zurück und schlug seinem Opfer von hinten auf den Kopf. Ein anderer warf von außen durch die geöffnete Tür eine Glasflasche nach dem Mann. Die Flasche zersplitterte jedoch an einer Glastrennscheibe.

Beim Gang der Gruppe durch die Böblinger Bahnhofsunterführung stürzte eine der Personen. Ein 17 Jahre alter Jugendlicher, der zufällig vorbeikam, wollte dem Gestürzten helfen. Daraufhin gingen andere aus der Gruppe auf den Helfer los und malträtierten ihn mit Tritten und Schlägen. Die Angreifer traten auf den 17-Jährigen ein, als er schon am Boden lag. Beide Opfer wurden mit Hämatomen und Schürfwunden in eine Klinik gebracht. Der 17-Jährige erlitt eine Gehirnerschütterung.

Polizeibeamte nahmen noch in der Tatnacht alle zwölf Gruppenmitglieder vorläufig fest. Gegen drei junge Männer im Alter von 18 Jahren sowie gegen einen 17-Jährigen ermittelt die Polizei wegen des Verdachts des versuchten Totschlags. Die vier stammen aus Sindelfingen und sind wegen Diebstahls vorbestraft. Drei der mutmaßlichen Täter seien zudem wegen Körperverletzung verurteilt worden, sagt der Polizeisprecher Widenhorn. Auch die acht anderen Gruppenmitglieder sind 17 bis 18 Jahre alt. Zwei stammen aus dem Kreis Esslingen, die anderen aus dem Kreis Böblingen.

Polizei sucht noch Zeugen

Vernehmen wird die Polizei auch die Opfer sowie Fahrgäste und Passanten am Bahnhof, die die Übergriffe beobachtet haben. Noch sucht die Polizei nach dem Mann mit dunkler Hautfarbe, der in der S-Bahn von den Jugendlichen angepöbelt worden war. Auch ihn wollen die Beamten als Zeugen vernehmen.

Wie lange die Ermittlungen dauern, kann die Polizei noch nicht sagen. Sollten sie ergeben, dass es sich bei dem Angriff auf den 17-Jährigen um einen versuchten Totschlag handelt, wirkt sich das auf das Strafmaß aus. Dann könnten den Jugendlichen mehrjährige Gefängnisstrafen drohen.