Der Linke Stefan Dreher wehrt sich gegen ein Bußgeld wegen Parkens in der Fußgängerzone. Der Amtsrichter gibt aber dem Ordnungsamt recht.

Böblingen - Ein Knöllchen für 30 Euro wegen Falschparkens ist ärgerlich. Doch normalerweise zahlt ein Autofahrer das zähneknirschend. Nicht so Stefan Dreher. Der parlamentarische Mitarbeiter des Linken-Bundestagsabgeordneten Richard Pitterle hat Widerspruch gegen einen entsprechenden Bußgeldbescheid eingelegt. Er argumentiert: er sei, als er für seine Partei Plakate aufgehängt habe, in höherer Mission unterwegs gewesen, habe als Wahlkämpfer einen verfassungsrechtlichen Auftrag erfüllt. Dieser stünde quasi über dem Ordnungsrecht. Am Montag wurde darüber vor dem Böblinger Amtsgericht verhandelt.

 

Kein Geringerer als sein Chef Pitterle, als Jurist spezialisiert auf Arbeitsrecht, stand seinem Mitarbeiter zur Seite. Gleich zu Beginn machte der Anwalt klar. „Wenn mein Mitarbeiter gehalten hätte, um sich was zu trinken zu kaufen, würde ich ihn nicht verteidigen.“ Aber auch für Pitterle war klar: für Wahlkämpfer gelten zwar nicht andere Regeln als für andere Leute, jedoch habe das Ordnungsamt einen Ermessensspielraum. Pitterle zitierte den Paragrafen 21 des Grundgesetzes. „Die Parteien wirken bei der Willensbildung des Volkes mit“. Und ein Wahlkampf sei sozusagen die höchste Form der Willensbildung, die zudem zumeist von Ehrenamtlichen ausgeübt werde. Dreher hatte sich für das Plakatieren Urlaub genommen.

In der Praxis zeigten sich die Ordnungshüter meist recht großzügig, wenn Wahlkämpfer unterwegs seien, so die einschlägige Erfahrung des Politikers Pitterle. „Sogar hier vor dem Amtsgericht halten die Autos für ein paar Minuten auf dem Gehsteig, und die Wahlkämpfer kleben Plakate.“ In Sindelfingen habe er beobachtet, wie das Team des CDU-Abgeordneten Paul Nemeth seinen Transporter sogar eine halbe Stunde auf dem Marktplatz habe stehen lassen.

Wahlplakate lagen auf der Rückbank des Cabriolets

Stefan Dreher, der nach eigener Aussage an jenem verhängnisvollen 26. Januar nur „maximal 15 Minuten“ in der Böblinger Fußgängerzone in der Bahnhofstraße parkte, um Plakate für seinen Parteifreund Reinhard Stübner aufzuhängen, war der Ansicht: „Die Mitarbeiterin des Ordnungsamts hätte die Plakate sehen müssen. Die lagen auf der Rückbank des offenen Cabriolets.“ „Glauben Sie, wenn Sie die Plakate gesehen hätte, dann hätte sie Ihnen keinen Strafzettel verpasst?“, wollte der Richter Horst Vieweg wissen. „Ja“, meinte Dreher. Doch Vieweg schüttelte den Kopf. „Dass sie Wahlkämpfer sind, spielt keine Rolle. Sie haben falsch geparkt.“

Pitterle stellte gleich mehrere Beweisanträge. Den Leiter des Böblinger Ordnungsamts wollte er befragen, wie man in Wahlkämpfen verfahre. Außerdem forderte er, den Oberbürgermeister Wolfgang Lützner anzuhören, wie er es im Wahlkampf mit der Plakatiererei gehalten habe. Doch der Richter lehnte alle Anträge recht unwirsch ab. „Es ist mir egal, welche Rechtsauffassung die Stadt vertritt. Hier kommt es auf meine Rechtsauffassung an.“ Seiner Meinung nach lohne sich ein solches Verfahren wegen 30 Euro Bußgeld nicht. Widerspruch lehnte er ab. „Sie können ja gerne den Rechtsweg beschreiten bis zur obersten Instanz.“ Dies überlegen Dreher und Pitterle nun. Die Hürde dafür sei aber recht hoch, sagte der Anwalt. „Bei einem Bußgeldbescheid können wir nur einen Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels stellen. Den müssen wir sehr gut begründen.“ Eine Woche hat Pitterle dafür Zeit.

Doch erst einmal stand am Dienstag eine Sondersitzung des Bundestags zum Brexit auf seinem Programm. „Am Donnerstag können Sie mich anrufen. Dann weiß ich mehr.“