Im Gemeinderat wird darüber diskutiert, ob sich die Stadt als Austragungsort für die Veranstaltung bewerben soll. Das Programm könnte bis zu einer Million Euro kosten. Die Entscheidung muss rasch fallen – aber sie wurde erst einmal verschoben

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Über „große Bauchschmerzen“ klagt Jochen Reisch von der SPD. Sein Neffe Sven Reisch fühlt sich bei diesem Thema dagegen pudelwohl: „Auf alle Fälle bewerben“, erklärte der Fraktionschef der Grünen im Gemeinderat zur Idee, die Heimattage nach Böblingen zu holen. Der Vorschlag, sich als Austragungsort für die Veranstaltung anzubieten, stammt vom Kulturamtsleiter: „Ich habe sehr viel Positives gehört, was die Heimattage bewegen können“, sagte Peter Conzelmann. Die Entscheidung muss allerdings rasch fallen, denn der Bewerbungsschluss ist bereits am 1. April. Das Stuttgarter Staatsministerium vergibt die Veranstaltung, momentan ausgeschrieben sind die Jahre 2019 bis 2022. Im Verwaltungs- und Kulturausschuss haben die Stadträte das Thema aber erst einmal vertagt – nicht nur innerhalb der Familie Reisch gab es Meinungsverschiedenheiten.

 

Die Kosten-Nutzen-Rechnung beschäftigt die Stadträte

Mangelnde Information und hohe Kosten schreckten die Skeptiker wie Jochen Reisch ab. Die Stadt tue sich in der Regel schwer damit, für Kultur Geld auszugeben, merkte Ingrid Stauss von den Freien Wählern an. „Und dafür nehmen wir dann einen Batzen in die Hand.“ Die Kosten und den Nutzen der Veranstaltung beschäftigte auch Peter Grotz (CDU), weil ihm nicht klar war, wie die Heimattage einzuschätzen sind. „Dem Mutigen gehört die Welt“, erklärte wiederum der Fraktionschef der Christdemokraten. Hans-Dieter Schühle hält die Veranstaltung für eine Form der Wirtschaftsförderung: In Böblingen habe sich viel getan, was der Welt bei dieser Gelegenheit vorgeführt werden könne. „Es tut der Stadt gut, sich ein großes Ziel zu setzen“, lautete das Argument Sven Reischs.

Seit 1978 werden die Heimattage Baden-Württemberg gefeiert, immer in einer anderen Stadt. Sie sind eine Errungenschaft aus Hans Filbingers vierter Amtsperiode und wurden unter der absoluten CDU-Mehrheit eingeführt. Zwei Veranstaltungen sind dabei Pflicht: der Baden-Württemberg-Tag zum Auftakt, zu dem es eine messeähnliche Leistungsschau gibt, sowie die Landesfesttage im September mit einem Umzug als Höhepunkt, bei dem sich Trachtenvereine und Musikkapellen aus dem ganzen Land präsentieren. Das Ziel der Heimattage sei, das Verständnis für die Heimat zu vertiefen und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bürger zu stärken, heißt es in der Ausschreibung des Staatsministeriums. Allerdings sollten die Bewerbungen für die kommenden Jahre auch junge Menschen und neue Themen ansprechen, wird darin aufgefordert.

Heimat nicht im Sinne von Heimeligkeit

Das Thema Heimat solle nicht im Sinne von Heimeligkeit interpretiert werden, erklärte Peter Conzelmann das Konzept, vielmehr sollten moderne Aspekte hervorgehoben werden. In der Regel handelt es sich bei den Heimattagen um ein kulturelles Veranstaltungsprogramm von Mai bis Oktober. Feste Veranstaltungen wie der Sommer am See könnten integriert werden, erklärte der Kulturamtsleiter. Er erhofft sich von der Veranstaltung einen ähnlichen Effekt wie vom Stadtjubiläum im Jahr 2003: dass sich die Bürger mit dem Thema beschäftigen und viel selbst organisieren. Von den Städten wird erwartet, dass sie mindestens 155 000 Euro dafür investieren, das Land schießt noch einmal so viel zu. Aber tatsächlich kommen auf die Stadt Kosten in Höhe von 600 000 bis 900 000 Euro zu, hat er ausgerechnet. Zur Unterstützung kann sich die Verwaltung um Sponsorengeld kümmern.

Als mutig bezeichnete Elke Döbele (SPD) die Vorlage des Kulturamtsleiters und seine Hoffnung, „mit so wenig Information ein Ja zu bekommen“. Als ambitioniert ordnete Heidrun Behm von den Grünen die Idee ein. Die Bewerbung müsse aber Hand und Fuß haben und „von dem angestaubten Begriff Heimat“ wegführen, sagte sie. Zur nächsten Gemeinderatssitzung am 4. März soll nun ein Experte eingeladen werden – möglicherweise aus Waiblingen, wo die Heimattage im vergangenes Jahr stattfanden. Aus dem Kreis Böblingen war 1996 Weil der Stadt mit von der Partie.