Führungskräfte müssen bereit sein, die Leistung von Mitarbeitern transparent zu bewerten.

Stuttgart - „Rekordbonus für VW-Beschäftigte”, „7600 Euro für jeden Porsche-Mitarbeiter”, „Karstadt führt Bonusprogramm für Mitarbeiter ein”, „Banker-Boni höher als je zuvor”. Schlagzeilen aus diesem und dem vergangenen Jahr, die zeigen, dass das Thema Bonussysteme in der Mitte der Unternehmen angekommen ist. Selbst in einigen Tarifverträgen sind inzwischen erfolgsabhängige Zuzahlungen der Arbeitgeber vorgesehen, etwa in der Chemiebranche oder der Metall- und Elektroindustrie. „Mitarbeiter-Boni sind zweifellos ein Trend”, bestätigt Hans-Georg Blang, Mitglied der Geschäftsleitung und Partner bei Kienbaum Management Consultants. Zwei Gründe gebe es dafür vor allem: „Unternehmen können die Gesamtvergütung abhängig von ihrem Erfolg atmen lassen, und - noch wichtiger - sie können Leistung und Zielorientierung der Mitarbeiter steuern.”

 

Im ersten Fall hat der Bonus eher den Charakter eines 14. Monatsgehalts, den alle Mitarbeiter unterhalb des mittleren Managements bekommen. Fünf bis acht Prozent der Gesamtvergütung sei ein typischer Wert, so Blang. „Häufig sehen Betriebsräte diese Art von Bonus besonders gern - aber auch viele Unternehmen, weil sie damit ihre Führungskräfte nicht überfordern.” Denn ein Bonussystem, mit dem sich Leistung und Zielorientierung der Mitarbeiter steuern lassen, bedingt vom Unternehmen einiges mehr als nur den Willen, zusätzliches Geld auszuschütten.

„Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter differenziert bewerten können”

Vor allem braucht es Führungskompetenz, sagt Friedrich A. Fratschner, Geschäftsführer von Baumgartner & Partner und Compensation-Online. „Die Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter differenziert bewerten können.” Der ideale Ablauf für die Festlegung der Boni sieht in Fratschners Augen wie folgt aus: „Die Führungskräfte präsentieren wechselweise voreinander, welche Leistungsbeurteilung - und damit indirekt, welchen Bonus - sie welchem ihrer Mitarbeiter zuteilen wollen und warum. Die Personalabteilung moderiert.” Die daraus entstehenden Diskussionen machten die Festlegung der Boni glaubwürdiger und nachvollziehbarer. „Denn der Vorgesetzte muss seine Beurteilung der Mitarbeiterleistung begründen, muss Verantwortung übernehmen”, so Fratschner.

Leider erlebe er immer wieder, dass Unternehmen vor solchen offenen Diskussionen zurückschreckten und die Leistungsbeurteilung und die daraus resultierende Festlegung der Boni lieber nach einem nur schwer nachvollziehbaren, kaum einheitlichen Schema umsetzten. „Gerade wenn eine Führungskraft allen ihren Mitarbeitern einen leistungs- und zielorientierten Bonus in gleicher Höhe zubilligen will, sollte die Personalabteilung beziehungsweise die Unternehmensleitung nachhaken, warum jeder dieser Mitarbeiter das Gleiche bekommen soll”, empfiehlt Fratschner, „also woran es liegt, dass die Führungskraft Leistungsunterschiede nicht differenzieren kann.”

In den meisten Fällen läuft die Bonusausschüttung ungerecht

Fehler können Unternehmen also einige machen, wenn sie ihre Mitarbeiter über Boni steuern wollen. Fratschner nennt zweit weitere: „Oft sind die Zielvereinbarungen nur Projektionen des Planungsprozesses im Unternehmen. Man redet also über Deckungsbeiträge und Ähnliches, aber nicht darüber, wie die Ziele erreicht werden sollen.” Schief gehe es auch, wenn eine Führungskraft nicht die Stellenbeschreibung beziehungsweise die Anforderungen der Stelle, sondern das Kandidatenprofil als Maßstab zugrunde lege: „Dann bekommen starke Mitarbeiter hohe Ziele und schwache Mitarbeiter niedrige Ziele vorgegeben, und entsprechend ungerecht verläuft die Bonusausschüttung.” Oder die Führungskraft gewährt dem Mitarbeiter einen Bonus gar, um damit die von der Personalabteilung abgelehnte Gehaltserhöhung zu kompensieren.

Bernd Thomaszik, Leiter der Vergütungsberatung für Zentraleuropa bei der Personalmanagementberatung Mercer, weist darauf hin, dass „Boni die Leistung der Beschäftigten sabotieren können”. So könnten bei einem falsch aufgesetzten System Mitarbeiter sich im Kampf um den höheren Bonus unkollegial verhalten und darüber die Unternehmensziele aus den Augen verlieren. Oder die Boni lieferten keine Anreize mehr, um die eigenen Ziele zu priorisieren, weil die Mitarbeiter ohnehin das beabsichtigte Verhalten verinnerlicht hätten. Um gegenzusteuern, sollte man dann Ziele ändern oder gegebenenfalls auch auf eine Definition von individuellen Zielen ganz verzichten.

Führungskräfte müssen wissen, wer bei Fragen weiterhelfen kann

Friedrich Fratschner empfiehlt Unternehmen, die ein Bonussystem einführen wollen, „strukturiert wie bei der Produktentwicklung vorzugehen”. Laut Kienbaum-Berater Blang sollten die Firmen drei Dinge beachten: Erstens muss eine Führungskultur existieren, durch die die Führungskräfte in die Lage versetzt werden, Mitarbeitergespräche führen und Zielerreichungen bewerten zu können. Zweitens müssen die Grundlagen, etwa in Form von Kennziffern, für eine Bewertung vorliegen. „Nicht nur in Vertrieb und Fertigung, wo das vergleichsweise einfach ist, sondern auch für Servicebereiche, etwa die Rechtsabteilung”, sagt Blang. Und drittens müssen die unterstützenden Prozesse vorhanden sein. „Zum Beispiel muss eine Führungskraft wissen, wer ihr bei auftretenden Fragen weiterhelfen kann.”

Als untere Grenze für einen Bonus, den ein Sachbearbeiter in der Buchhaltung oder im Einkauf bekommen können sollte, nennt Blang ein halbes Monatsgehalt: „Alles darunter ist nicht motivationsfördernd.” Typisch ist für diese Ebene die Größenordnung von einem Monatsgehalt. „Beim mittleren Management liegt der prozentuale Anteil laut unseren Studien dann im Schnitt bei rund 15 Prozent, für die erste Ebene unterhalb der Unternehmensleitung sind Boni in Höhe von etwa 20 Prozent typisch”, erläutert Blang. Gerade in operativen Bereichen hätten Mitarbeiter-Boni bis zum mittleren Management oft auch eine Teamkomponente, „weil die Einzelleistungen nicht so gut messbar sind”.