Die Münchener Firma Doblinger Industriebau beerdigt die alten Projekte für die Brache auf der Oberen Walke und präsentiert komplett neue Pläne. Nun sollen Wohnhäuser entsehne, keine Fachgeschäfte mehr.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Die imposanten Industriegebäude zwischen der Gartenstraße und der Murr sind verschwunden. Die sogenannte Obere Walke in Backnang wurde längst freigeräumt. Und wenn es nach den ursprünglichen Plänen der Investoren und der Stadt gegangen wäre, dann stünde das einst in den höchsten Tönen gepriesene Fachmarktzentrum bereits. Wer das knapp 50 000 Quadratmeter große Areal indes besucht, der sieht – nichts. Seit vielen Monaten tut sich kaum etwas auf der Oberen Walke. Die Abbrucharbeiten sind weitgehend abgeschlossen.

 

Oberbürgermeister Frank Nopper hat am Donnerstagabend im Gemeinderat erklärt, dass nun „neue Bewegung auf die Obere Walke und an die Gartenstraße“ komme. Die Münchener Firma Doblinger Industriebau AG (Dibag), die Eigentümerin des Geländes, habe die Fachmarktpläne endgültig beerdigt. Alle potenziellen Interessenten, etwa ein Elektronikmarkt und ein Discounter, sind offenbar abgesprungen. Dafür, so Nopper weiter, seien jetzt Wohngebäude geplant. Die projektierten Einfamilien-, Doppel-, Reihen- und Mehrfamilienhäuser mit 200 bis 270 Wohneinheiten für rund 600 Menschen bezeichnete der Rathauschef als „vielversprechend“. Wenn alles so komme, wie vorgesehen, „dann können wir uns auf eine gute Zukunft freuen“. Ob aber diesmal tatsächlich alles genau so kommt wie geplant, das ist längst noch nicht klar. Das machten der Leiter des Stadtplanungsamts, Stefan Setzer, sowie zwei Vertreter der Firm Doblinger in der Sitzung deutlich.

Vierstöckige Mehrfamilienhäuser

Die Wohngebäude – unmittelbar an der Murr gelegen und zu Fuß nur wenige Minuten von der historischen Innenstadt entfernt – müssten sich gut verkaufen lassen, so die Dibag. An der Gartenstraße sind vierstöckige Mehrfamilienhäuser vorgesehen, die den Schall in Richtung der kleineren Gebäude abfangen sollen. Geplant sei auch eine „zentrale Grünfläche“. Gefahren durch Altlasten im Boden bestünden seit der Sanierung nicht mehr. Das Konzept sei mit dem Landratsamt „vorabgestimmt“. Ein Lärmgutachten habe ergeben, dass Wohnbebauung unproblematisch sei.

Nopper sagte, dass die Verwaltung nie etwas gegen Wohnbebauung auf der Walke gehabt habe. Es sei früher aber nie gelungen, Investoren davon zu überzeugen. Nun, da das Areal am Murrufer frei geräumt sei, habe wohl ein Sinneswandel stattgefunden.

„Eine sehr gute Entwicklung“

Die meisten Stadträte lobten den Schwenk vom Fachmarktzentrum hin zum Wohnungsbau. Willy Härtner (Grüne): „eine sehr gute Entwicklung“. Volker Schwarze (CDU): „sehr zu begrüßen“. Gefordert wurde indes „etwas mehr Grünfläche“ und womöglich ein Verzicht auf zu hohe Gebäude in der Gartenstraße. Heinz Franke (SPD) sprach von einer „wirklichen Aufwertung“ der Oberen Walke.

Das neue Wassergesetz, das seit Januar gilt, könnte die Planungen allerdings noch torpedieren. Die Neuregelung habe nämlich „weitreichende Folgen“, sagte Setzer. Sollte die Obere Walke als ein neues Baugebiet angesehen werden, dann könnte eine Bebauung wegen der Nähe zur Murr möglicherweise grundsätzlich verboten werden. Setzer sagte, es gebe „unterschiedliche Rechtsauffassungen“, aber „wir müssen einen Weg finden“. Es sei geplant, das Gelände anzuheben. Im Zusammenspiel mit den geplanten Projekten zum Hochwasserschutz, etwa mit dem Rückhaltebecken bei Oppenweiler, sollten Wohnhäuser auf der Walke genehmigt werden können, das jedenfalls hoffen die Stadt und die Dibag.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Gartenstraße planen andere Investoren ebenfalls Wohnhäuser. Konkrete Pläne hat zum Beispiel die Backnanger Firma Aspa, die ein altes Industriegebäude komplett umbauen will. Vorgesehen sind großzügige Loftwohnungen, teilweise mit Garten.

Große Chance – ein Kommentar von Martin Tschepe

Manchmal ist bemerkenswert, was alles möglich ist, wenn auf den ersten Blick nichts mehr möglich erscheint. Mit diesen Worten hat der Backnanger SPD-Stadtrat Heinz Franke den Schwenk der Münchener Firma Dibag genüsslich kommentiert, die jetzt – aus der Not heraus – Wohnhäuser statt weit profitablerer Einkaufsmärkte auf der Oberen Walke bauen will. Es ist in der Tat bemerkenswert, dass nun direkt an den Murr ein neues Quartier auch für junge Familien entstehen soll. Diese neuen Pläne bieten Backnang eine große Chance.

Einkaufsmärkte gibt es ja bereits mehr als genügend in der Stadt. Das attraktive Neubaugebiet liegt mitten in Backnang. Geschäfte, ein Sportplatz, ein Spielplatz und Kindergärten sind problemlos zu Fuß erreichbar. Dem Investor und der Stadt ist zu wünschen, dass es diesmal klappt, die ehrgeizigen Pläne umzusetzen, denn es ist eine wahre Herkulesaufgabe, Käufer für die gut 200 Wohneinheiten zu finden.

Die Projektpartner müssen außerdem noch bibbern. Falls die Behörden mit Verweis auf das Wassergesetz eine Bebauung verhindern sollten, dann hätte die Dibag ein dickes Problem. Der millionenschwere Ankauf des Areals müsste abgeschrieben werden und es entstünde dann womöglich der Park, den sich manche wünschen.