Der Weihnachtsbaumverkauf geht in den kommenden Tagen in die heiße Phase. Die Händler erleben dabei so einiges – vom Ehedrama bis hin zum Last-Minute-Kauf kurz vor der Bescherung.

Stuttgart - Die heißen Tage stehen ihnen noch bevor. Wer lange genug in diesem speziellen Geschäft dabei ist, weiß das. „Am Wochenende vor Weihnachten rennen sie dir die Bude ein“, sagt Dietrich Ohlhausen. Seit 25 Jahren betreibt der Ludwigsburger unmittelbar neben der Theodor-Heuss-Kaserne in Bad Cannstatt einen Weihnachtsbaum-Verkaufsstand.

 

Auf noch längere Erfahrung kann Walter Kübler zurückblicken. Sein Familienbetrieb aus Sulzbach/Murr ist schon seit fast 60 Jahren in der Vorweihnachtszeit an vier Ständen rund um den Feuersee und in der Johannesstraße im Stuttgarter Westen aktiv. Vater Erwin hat einst begonnen, was bis in die Gegenwart Sohn Walter fortführt. „Unter der Woche reichen drei, vier Personen für den Baumverkauf. Am Wochenende müssen wir die Belegschaft verdoppeln, um die Arbeit zu bewältigen“, sieht Kübler erhöhtem Publikumsandrang entgegen. „In der vierten Adventwoche zieht das Geschäft an“, weiß auch Tim Siller. Er betreut einen Stand am Killesberg, seine Familie aus der Heilbronner Gegend unterhält wie auch die Küblers noch weitere Weihnachtsbaum-Standorte in der Landeshauptstadt.

Laut Amt für Öffentliche Ordnung verteilen sich rund 40 solcher Stände übers Stadtgebiet, die meisten haben dieses Jahr am 10. Dezember mit dem Verkauf begonnen. Den Betreibern ist es wichtig, immer wieder an den gleichen Platz zurückkehren zu können. Gewohnheit und Vertrautheit sind wichtig. „Die Stammkunden machen rund 80 Prozent des Geschäfts aus“, sagen Ohlhausen, Kübler und Siller wie aus einem Mund. Sie kennen ihre Kunden seit Jahren, wissen über deren Vorlieben in punkto Weihnachtsbaum oder Kaufverhalten Bescheid. „Es sind immer die gleichen paar, die am Heiligabend Punkt 12 Uhr dastehen und ihren Last-Minute-Baum wollen, bevor wir abbauen“, lacht Panagiotis Daoutis, der Schwiegersohn von Walter Kübler, an seinem Stand am Feuersee.

Nordmann-Tanne bevorzugt

Was will der normale Kunde? „Meistens die Nordmann-Tanne, die macht 90 Prozent des Verkaufs aus. Blautannen, Fichten und andere Exoten werden nur noch ganz selten verlangt“, sagt Tim Siller. „Die hält lange, piekst und nadelt nicht“, hebt Walter Kübler die größten Vorteile des Lieblingschristbaums der Deutschen hervor. Entscheidendes Kriterium für die meisten Käufer ist nicht der Preis, sondern die gewünschte Größe und der Wuchs der Tanne. „Für einen schönen Baum wird auch gerne bezahlt“, sagt Daoutis. Die Kleinsten sind in etwa ab 15 Euro zu haben, für übergroße Prachtexemplare schnellt der Preis auch schon mal auf 80 Euro und mehr nach oben. „Bei mir kostet die Nordmann-Tanne in der üblichen Zimmerhöhe in diesem Jahr 42 Euro. Damit liege ich preislich im Mittelfeld“, vergleicht Dietrich Ohlhausen.

Dass an Baumärkten oder Supermärkten Weihnachtsbäume schon mal zum Schnäppchenpreis von 10 Euro angeboten werden, setzt den etablierten Verkäufern nur bedingt zu. „Preislich können wir da einfach nicht mithalten. Aber bei den Stammkunden ist das kein Problem“, so Tim Siller, der sich auf das Urteilsvermögen der Leute verlässt: „Die meisten erkennen, dass die Bäume bei den Billiganbietern oftmals minderwertige Ware sind, teils aus dem Ausland exportiert und schon einige Wochen alt.“

Was bis Heiligabend nicht verkauft wird, muss entsorgt werden

Ohlhausen bezieht seine Ware von einer Aufzucht auf der Schwäbischen Alb, die Sillers aus ihrer Heimat bei den Löwensteiner Bergen, die Küblers schlagen ihre Bäume aus eigenen Wäldern und Plantagen am Murrhardter Wald. „Da können wir jeden Tag frisch nachliefern“, sagen Walter Kübler und Panagiotis Daoutis. Rund 1200 Bäume bringen sie pro Saison an die Kundschaft, bei Ohlhausen sind es meist um die 500. Was bis Heiligabend nicht verkauft ist, müssen sie entsorgen. Die Wilhelma will inzwischen nicht mehr mit Resten zur Tierfütterung beliefert werden. „Aus Angst, die Bäume könnten gespritzt sein“, weiß Daoutis.

Dass das Aussuchen und Kaufen eines Weihnachtsbaumes nicht immer eine schnelle, unkomplizierte Fünf-Minuten-Angelegenheit ist, hat Dietrich Ohlhausen auch schon erfahren: „Hier am Stand haben sich schon Ehedramen abgespielt.“ Und das so kurz vor dem Fest der Liebe.

Hintergrund

Bis zu 30 Millionen Weihnachtsbäume, auch Christbäume genannt, werden in Deutschland jedes Jahr aufgestellt. Für 80 Prozent der Deutschen ist der geschmückte Baum ein symbolischer Mittelpunkt des Weihnachtsfestes. Bereits vor zehn Jahren wurden über 600 Millionen Euro mit dem Verkauf von Weihnachtsbäumen umgesetzt.

Die Rotfichte war hierzulande bis Ende der 50er Jahre die dominierende Sorte der Weihnachtsbäume, es folgte die Zeit der Blaufichten. Anfang der 80er Jahre trat die Nordmann-Tanne ihren Siegeszug an. Heute liegt der Marktanteil dieser eher geruchslosen, wenig nadelnden Tannenart, deren Saatgut ursprünglich aus dem Kaukasus stammt, bei über 80 Prozent.

Rund 85 Prozent der in Deutschland verkauften Weihnachtsbäume kommen aus dem Inland. Der Großteil wird inzwischen auf speziellen Plantagen großgezogen, also nicht im Wald geschlagen.

Ein heidnischer Brauch gilt als Ursprung für den Weihnachtsbaum. Schon im Mittelalter war es üblich, zu Festlichkeiten ganze Bäume zu schmücken. Immergrüne Pflanzen galten als ein Symbol für Fruchtbarkeit und Lebenskraft. Ab dem 16. Jahrhundert war es vor allem im Elsaß Brauch, zu Weihnachten Haus und Hof mit Tannenzweigen zu verzieren.

Die erste schriftliche Erwähnung eines Weihnachtsbaums geht auf das Jahr 1527 zurück. Das Schmücken mit Kerzen wurde ab dem 18. Jahrhundert üblich, andere Verzierungen wie Lametta, das glitzernde Eiszapfen symbolisieren soll, folgten später.

Die Katholische Kirche setzte sich lange gegen die „Anti-Krippe“ zur Wehr. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts waren Weihnachtsbäume in katholischen Kirchen erlaubt. Erst seit 1982 steht auf dem Petersplatz in Rom zu Weihnachten ein Christbaum. (lim)