Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Auf die Theorie folgt die Praxis. Nach der ersten Vorführung durch den Daniel Düsentrieb des Schnapsbrennens muss jeder der Kursteilnehmer einmal selber ran. „Wenn ihr meine Maische versaut, gibt es Ärger“, sagt Hagmann. Die Flucht erscheint als sinnvolle Option, der strenge Hagmann lässt aber keinen seiner Schüler aus den Augen. Also Selbstversuch: wie war das noch gleich, welches Ventil muss wo geöffnet, welcher Knopf als Nächstes gedrückt werden? Der Alkohol läuft schon mal ordentlich hinten raus, wir haben eine geringe Vorlaufmenge, gerade mal einen Bodensatz voll. „Den Unterschied zwischen Mittellauf und Nachlauf musst du in der Nase erkennen, das ist der Unterschied, der darüber entscheidet, ob ein Schnaps zehn oder 50 Euro kostet.“

 

Hagmann lässt den Probanden keine Sekunde aus den Augen: „Deine Fließgeschwindigkeit sollte langsamer sein.“ Plötzlich stechen intensive Fuselnoten in der Nase, es ist faszinierend, wie schlierig-schmierig der Nachlauf auf einmal wird, nachdem der Mittellauf ein Feuerwerk im Riechorgan gezündet hatte. Schade, dass man Gerüche in einem Text nicht transportieren kann. Mit der Schokomandelnote im Glas ist Hagmann am Ende tatsächlich zufrieden. „Die Arbeit hat sich gelohnt.“ So hört sich ein tonlos vorgetragener schwäbischer Begeisterungssturm an.

Eine Karriere als Schnapsbrenner scheint plötzlich eine greifbare Alternative zum Journalistenberuf, ehe Hagmann die eigene Kirschwasser-Euphorie im Keim erstickt: „Die ganze Arbeit wurde schon vor dem Brennen erledigt, das Bäumeschneiden, das Rasenmähen, das Ernten, das Einlagern. Unser Job heute stellt nur die Kür da. Und jetzt pfeif mal die Holländer rein.“

Das Meditative am Destillieren

Die schwäbisch-holländische Völkerverständigung an der Brenne funktioniert tadellos. Hagmann erklärt („ein guter Schnaps bleibt angenehm im Mund zurück“) oder befiehlt („halten Sie hier mal das Nasenloch drüber, das ist eine Generalkaminreinigung“), die Holländer staunen und schaffen. Das Duo aus Limburg arbeitet an einem riesigen Hotelprojekt, der redseligere der beiden ist ein Geschäftsmann, der verschiedene Sternerestaurants betrieben hat, sein Kompagnon ein Braumeister im Ruhestand, der sich im Rentenalter vom Bier zum Schnaps hin entwickelt. Zum teuren Hotelkomplex soll eine eigene Destille gehören, konstruiert von der Firma Carl.

Beim dritten Brennvorgang herrscht schließlich Stille, die Teilnehmer werden Zeuge einer Destilliermeditation. Als nach den Kirschen die Johannisbeeren dran sind, ruft ein weiterer Kunde aus Holland an und bestellt eine 2000-Liter-Brennblase, um Whiskey zu destillieren. Am Nachmittag fragt Hagmann seine Schnaps-Schäflein noch einmal ab: Wie funktioniert die Brenne, welche Komponenten hat man? Auf was kommt es an? „Brennen ist physikalische Chemie und hängt nur von den Siedepunkten ab“, doziert er zum Abschied. So viel Spaß hat praktischer Chemieunterricht noch nie gemacht.

„Eine Brennerei zu betreiben bedeutet immer putzen“, sagt Hagmann. Für die Besucher heißt das in Deckung gehen, während Hagmann mit einem Schlauch den Bereich vor der Brenne sauberspritzt. Das Herzstück der kleinen Anlage ist die Brennblase. Hagmann doziert über die unterschiedlichen Siedepunkte von Alkohol und Wasser und changiert dabei zwischen hartem Schwäbisch („deschdilieren“) und überbetontem Hochdeutsch, damit auch die Holländer etwas kapieren. An der Wand der Scheune hängen 40 Urkunden von der Destillata, der internationalen Leistungsschau der Schnapsbrenner.

Die Destille sieht wegen all der runden Fensterchen aus wie eine Mischung aus einer antiquierten Ausrüstung zum Tiefseetauchen und einem Hexenkessel. Im Kessel schäumt und blubbert es, während Hagmann die Funktionsweise eines Dephlegmators erklärt. Verkürzt gesagt, ist ein Dephlegmator ein Kondensator, der Dämpfe kondensieren lässt und eine höhere Trennleistung gewährleistet: Er erzeugt eine bessere Qualität des Endprodukts. Hagmann geht es derweil ein bisschen zu schnell. „Dieses scheiß Pneumatikventil, der hoizt mir viel zu arg“, sagt der promovierte Ingenieur und reguliert die Dampfzufuhr neu. Er doziert über Vorlaufkomponenten sowie die sensorische Überprüfung der köstlichen Kirschflüssigkeit. Die alles entscheidende Frage: Wie lange riecht es nach Klebstoff, und wann kommt der Mittellauf mit einem konstanten Alkoholgehalt, der dem Gaumen schmeichelt?

Wer die Maische versaut, kriegt Ärger

Auf die Theorie folgt die Praxis. Nach der ersten Vorführung durch den Daniel Düsentrieb des Schnapsbrennens muss jeder der Kursteilnehmer einmal selber ran. „Wenn ihr meine Maische versaut, gibt es Ärger“, sagt Hagmann. Die Flucht erscheint als sinnvolle Option, der strenge Hagmann lässt aber keinen seiner Schüler aus den Augen. Also Selbstversuch: wie war das noch gleich, welches Ventil muss wo geöffnet, welcher Knopf als Nächstes gedrückt werden? Der Alkohol läuft schon mal ordentlich hinten raus, wir haben eine geringe Vorlaufmenge, gerade mal einen Bodensatz voll. „Den Unterschied zwischen Mittellauf und Nachlauf musst du in der Nase erkennen, das ist der Unterschied, der darüber entscheidet, ob ein Schnaps zehn oder 50 Euro kostet.“

Hagmann lässt den Probanden keine Sekunde aus den Augen: „Deine Fließgeschwindigkeit sollte langsamer sein.“ Plötzlich stechen intensive Fuselnoten in der Nase, es ist faszinierend, wie schlierig-schmierig der Nachlauf auf einmal wird, nachdem der Mittellauf ein Feuerwerk im Riechorgan gezündet hatte. Schade, dass man Gerüche in einem Text nicht transportieren kann. Mit der Schokomandelnote im Glas ist Hagmann am Ende tatsächlich zufrieden. „Die Arbeit hat sich gelohnt.“ So hört sich ein tonlos vorgetragener schwäbischer Begeisterungssturm an.

Eine Karriere als Schnapsbrenner scheint plötzlich eine greifbare Alternative zum Journalistenberuf, ehe Hagmann die eigene Kirschwasser-Euphorie im Keim erstickt: „Die ganze Arbeit wurde schon vor dem Brennen erledigt, das Bäumeschneiden, das Rasenmähen, das Ernten, das Einlagern. Unser Job heute stellt nur die Kür da. Und jetzt pfeif mal die Holländer rein.“

Das Meditative am Destillieren

Die schwäbisch-holländische Völkerverständigung an der Brenne funktioniert tadellos. Hagmann erklärt („ein guter Schnaps bleibt angenehm im Mund zurück“) oder befiehlt („halten Sie hier mal das Nasenloch drüber, das ist eine Generalkaminreinigung“), die Holländer staunen und schaffen. Das Duo aus Limburg arbeitet an einem riesigen Hotelprojekt, der redseligere der beiden ist ein Geschäftsmann, der verschiedene Sternerestaurants betrieben hat, sein Kompagnon ein Braumeister im Ruhestand, der sich im Rentenalter vom Bier zum Schnaps hin entwickelt. Zum teuren Hotelkomplex soll eine eigene Destille gehören, konstruiert von der Firma Carl.

Beim dritten Brennvorgang herrscht schließlich Stille, die Teilnehmer werden Zeuge einer Destilliermeditation. Als nach den Kirschen die Johannisbeeren dran sind, ruft ein weiterer Kunde aus Holland an und bestellt eine 2000-Liter-Brennblase, um Whiskey zu destillieren. Am Nachmittag fragt Hagmann seine Schnaps-Schäflein noch einmal ab: Wie funktioniert die Brenne, welche Komponenten hat man? Auf was kommt es an? „Brennen ist physikalische Chemie und hängt nur von den Siedepunkten ab“, doziert er zum Abschied. So viel Spaß hat praktischer Chemieunterricht noch nie gemacht.