Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Der offizielle Austrittsantrag wird für März erwartet

„Ich hätte nicht gedacht, dass die Unsicherheit so groß ist“, sagt Wolfgang Grenke, der Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) mit Sorgenfalten auf der Stirn. Die Unternehmen aus dem Land treibt derzeit vor allem die Frage um, welche Regeln in der Phase gelten, in der die Modalitäten des Brexits zwar bereits verhandelt sind, nicht aber die Rahmenbedingungen für die Handelsbeziehungen. „Die Verhandlungen darüber, wie genau der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union erfolgen soll, müssen nach zwei Jahren abgeschlossen sein“, sagt Hoffmeister-Kraut. „Bei Freihandelsabkommen rechnen wir aber mit fünf Jahren.“ Die Unternehmen bräuchten Gewissheit, auf welcher gesetzlichen Grundlage in der Phase zwischen Austritt und Handelsabkommen die Geschäfte zwischen Großbritannien und Baden-Württemberg weiterliefen.

 

Die Ministerin will daher nun mit einem Positionspapier, aus dem hervorgeht, wie der Brexit aus Sicht der baden-württembergischen Wirtschaft gestaltet werden muss, auf europäischer Ebene aufschlagen. „Wir sind zudem über den Bundesrat im Austausch mit der Bundesregierung“, sagt sie. „Damit bei den Verhandlungen die Belange der Unternehmen aus dem Land berücksichtigt werden.“ Beginnen können die Verhandlungen jedoch erst, wenn die britische Premierministerin Theresa May den offiziellen Austrittsantrag eingereicht hat. Das wird für März erwartet.

Die Personenfreizügigkeit ist Theresa May ein Dorn im Auge

Im Londoner Bankenviertel rauchen zwei junge Männer in teuren Anzügen hastig eine Zigarette. So sehen die Mittagspausen von Amar Gill (33) und Jean-Philippe Germain (34) aus. Die beiden arbeiten als Analysten bei einer großen Bank. Amar Gill hat indische Wurzeln, Germain kommt aus Frankreich. Warum er nach Großbritannien gekommen ist? Weil er in London das Doppelte verdient, sagt Germain.

Die Menschen, die während der Zigarettenpause an den beiden Männern vorbeigehen, kommen aus allen möglichen Teilen der Welt. Auch für sie wird das Leben nach dem Brexit nicht mehr so sein wie zuvor. May ist insbesondere die sogenannte Personenfreizügigkeit ein Dorn in Auge. Sie will nicht, dass sich Menschen aus der EU einfach in Großbritannien niederlassen können. Diese Politik richtet sich vor allem gegen Zuwanderer aus Osteuropa mit wenig Geld, trifft aber auch junge Besserverdiener wie Jean-Philippe Germain. Doch der weiß, dass er mit seinem Lebenslauf auch an jedem anderen Ort der Welt arbeiten könnte. Nur Frankfurt käme für die jungen Banker in London eher nicht infrage, sagt er, bevor er seine Zigarette austritt und wieder an die Arbeit muss; „kaum Geld, wenig international“.

Die Unternehmen bereiten sich derzeit intensiv auf den Brexit vor

Auch das Geschäftsmodell baden-württembergischer Firmen wie dem Technologiekonzern Bosch beruht auf der Annahme, dass Waren zwischen Großbritannien und Deutschland ohne Handelshemmnisse transportiert werden können – und dass Mitarbeiter keine speziellen Genehmigungen brauchen, um im jeweils anderen Land zu arbeiten. Das Thema Personenfreizügigkeit treibe ihn vor allem um, sagt Markus Follmann, der bei Bosch in Großbritannien für das Personalwesen zuständig ist. Bosch betreibt seit 1898 Standorte im Vereinigten Königreich und setzt dort im Jahr fast vier Milliarden Euro um. „Insgesamt beschäftigen wir hier 5300 Mitarbeiter“, sagt Follmann. Vor allem Führungskräfte und Topingenieure kämen aus Deutschland. „Im Moment sind rund 150 Menschen aus Deutschland hier beschäftigt“, so Follmann. Dies soll nach Ansicht Mays künftig ohne zusätzliche bürokratische Hürden nicht mehr möglich sein.

Die Personenfreizügigkeit ist Theresa May ein Dorn im Auge

Im Londoner Bankenviertel rauchen zwei junge Männer in teuren Anzügen hastig eine Zigarette. So sehen die Mittagspausen von Amar Gill (33) und Jean-Philippe Germain (34) aus. Die beiden arbeiten als Analysten bei einer großen Bank. Amar Gill hat indische Wurzeln, Germain kommt aus Frankreich. Warum er nach Großbritannien gekommen ist? Weil er in London das Doppelte verdient, sagt Germain.

Die Menschen, die während der Zigarettenpause an den beiden Männern vorbeigehen, kommen aus allen möglichen Teilen der Welt. Auch für sie wird das Leben nach dem Brexit nicht mehr so sein wie zuvor. May ist insbesondere die sogenannte Personenfreizügigkeit ein Dorn in Auge. Sie will nicht, dass sich Menschen aus der EU einfach in Großbritannien niederlassen können. Diese Politik richtet sich vor allem gegen Zuwanderer aus Osteuropa mit wenig Geld, trifft aber auch junge Besserverdiener wie Jean-Philippe Germain. Doch der weiß, dass er mit seinem Lebenslauf auch an jedem anderen Ort der Welt arbeiten könnte. Nur Frankfurt käme für die jungen Banker in London eher nicht infrage, sagt er, bevor er seine Zigarette austritt und wieder an die Arbeit muss; „kaum Geld, wenig international“.

Die Unternehmen bereiten sich derzeit intensiv auf den Brexit vor

Auch das Geschäftsmodell baden-württembergischer Firmen wie dem Technologiekonzern Bosch beruht auf der Annahme, dass Waren zwischen Großbritannien und Deutschland ohne Handelshemmnisse transportiert werden können – und dass Mitarbeiter keine speziellen Genehmigungen brauchen, um im jeweils anderen Land zu arbeiten. Das Thema Personenfreizügigkeit treibe ihn vor allem um, sagt Markus Follmann, der bei Bosch in Großbritannien für das Personalwesen zuständig ist. Bosch betreibt seit 1898 Standorte im Vereinigten Königreich und setzt dort im Jahr fast vier Milliarden Euro um. „Insgesamt beschäftigen wir hier 5300 Mitarbeiter“, sagt Follmann. Vor allem Führungskräfte und Topingenieure kämen aus Deutschland. „Im Moment sind rund 150 Menschen aus Deutschland hier beschäftigt“, so Follmann. Dies soll nach Ansicht Mays künftig ohne zusätzliche bürokratische Hürden nicht mehr möglich sein.

Die Kleiderordnung ist streng, die Minen ernst: Follmann ist mit anderen Vertretern deutscher Tochterunternehmen in Großbritannien in einen traditionellen britischen Club nach London gefahren, um sich an einer langen Tafel mit den Vertretern aus Baden-Württemberg darüber auszutauschen, wie viel Sorgen nun angebracht sind. Die Firmen bereiten sich derzeit auf den Brexit vor, sagt Markus Ochsner, Finanzchef für die Region Europa beim Elektrokonzern ABB, der Standorte in Baden-Württemberg und Großbritannien betreibt. „Wir haben am ersten Tag nach der Verkündung damit angefangen.“ Derzeit überprüfe ABB alle langfristigen Lieferverträge, überarbeite die rechtlichen Rahmenbedingungen und sichere sich gegen weitere Währungsschwankungen ab.

Töchterunternehmen leiden unter schwachem Pfund

Durch den Währungsverfall sind viele Töchterunternehmen plötzlich weniger wert

Das ist teuer. Der Verfall des Britischen Pfunds drückt auch auf die Bilanz des Unternehmens von BWIHK-Präsident Wolfgang Grenke. „Wir haben aufgrund dieses Effekts Einbußen in Millionenhöhe zu verzeichnen“, sagt Grenke. Die Grenke AG ist ein Finanzdienstleister mit Sitz in Baden-Baden und neun Standorten im Vereinigten Königreich. Durch den Währungsverfall seien die britischen Töchter baden-württembergischer Unternehmen plötzlich weniger wert, gibt Uwe Burkert, der Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), zu bedenken. Der Werteverlust liege im Bereich zwischen 13 und 19 Prozent. Auch die LBBW betreibt in London einen Standort mit 65 Mitarbeitern. Burkert geht davon aus, dass viele deutsche Firmen ihre britischen Niederlassungen in nächster Zeit schließen werden. „Dabei geht es um jene Standorte, die vor allem in die EU exportieren“, sagt Burkert. „Jedes siebte internationale Unternehmen mit einer Niederlassung im Vereinigten Königreich plant für die nächsten drei Jahre Verlagerungen“, sagt er.

Entsprechend groß sei die Verunsicherung bei den Mitarbeitern jener Gesellschaften, sagt Peer-Michael Dick, der Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung der Arbeitgeber in Baden-Württemberg. Unsicherheit lähmt die Wirtschaft. Wer nicht verlagert, der nimmt zumindest kein Geld in die Hand. „Wir sind derzeit zurückhaltend mit Investitionen“, sagt Ochsner von ABB. Damit ist er nicht allein. Auch britische Firmen investieren derzeit weniger in teure Anschaffungen wie Maschinen und Anlagen – und das wirkt sich neben dem Pfundverfall auf den baden-württembergischen Export aus. Das Land liefert vor allem Autos, Maschinen und Medikamente nach Großbritannien. „Die Unternehmen befürchten neben Zöllen und Einfuhrbeschränkungen, dass künftig für die Exportgüter nicht mehr die gleichen Standards gelten wie bislang“, sagt Grenke. „Die Pharmahersteller sind in Sorge, dass sie nicht mehr für alle Medikamente aus Baden-Württemberg Zulassungen erhalten“, ergänzt Thomas Mayer, der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie in Baden-Württemberg.

Wenn die Handelsbeziehungen komplizierter werden, steigen die Umsätze der Berater

Aber nicht bei allen liegt die Stirn in Falten an diesem Februartag im Londoner Reform Club. Anwälte oder Wirtschaftsprüfer profitieren von der Situation, sagt Alexander Altmann, Wirtschaftsprüfer bei Blick Rothenberg. Viele Unternehmen, die ihre britischen Niederlassungen behalten wollen, wandeln ihre Struktur um. „Wir ändern gerade Rechtsformen wie am Fließband“, sagt Altmann. Wenn die Handelsbeziehungen komplizierter werden und der Regelungsbedarf zunehme, steigen unweigerlich die Umsätze der Berater, sagt Altmann.

Am Ende müsse man den Brexit bewältigen wie die britischen Unternehmen, sagen die Leiter der deutschen Niederlassungen in Großbritannien schließlich unisono. Diese folgten dem Motto „Keep calm and carry on“. Ruhig bleiben und weitermachen. Es klingt wie die Appelle an den Wänden beim CBI. Nach Therapiesitzung.