Über Stunden ist eine Rentnerin in ihrem Haus in Geislingen von Einbrechern festgehalten und gequält worden. Die mutmaßlichen Täter sollen jetzt für lange Zeit hinter Gitter. Der Staatsanwalt wertet die Tat als gemeinschaftlichen Menschenraub.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Geislingen/Ulm - Am Donnerstag sind im Prozess wegen des Überfalls auf eine 82-jährige Ex-Unternehmerin aus Geislingen die Plädoyers gehalten worden. Mehr als zwei Dutzend Zeugen wurden gehört, dazu mehrere Gutachter. Nach dem Ende der Beweisaufnahme überraschte der Ulmer Staatsanwalt die Verteidigung mit harten Strafforderungen. Anstatt von Raub geht die Staatsanwaltschaft bei zwei der vier Angeklagten nunmehr von gemeinschaftlichem erpresserischen Menschenraub aus. Das erhöht den Strafrahmen. Raub wird mit einer Gefängnisstrafe nicht unter einem Jahr, gemeinschaftlicher erpresserischer Menschenraub nicht unter fünf Jahren geahndet.

 

Frau im Schlaf überrascht

Betroffen sind von dieser juristischen Neubewertung der 44-jährige Hedo A. aus Berlin und der 29-jährige Diego C. aus Geislingen. Sie sind nach Überzeugung der Anklage in der Nacht zum 7. Mai des vergangenen Jahres in das Haus der 82-Jährigen eingestiegen, weil sie an mehrere hunderttausend Euro kommen wollten, das sie in einem Tresor vermuteten. Weil der Stahlschrank verschlossen war, sollen die Männer ins Schlafzimmer der schlafenden Frau eingedrungen sein, um sie zur Herausgabe des Schlüssels zu zwingen. Hedo A. soll sie am Arm gepackt, Diego C. ihr mit einer Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet haben. Noch ein weiterer Täter war wohl dabei, der nach dem Einbruch nach Frankreich geflohen ist. Gegen ihn, Bela L., läuft, weil er erst zum Prozessbeginn gefasst wurde, ein gesondertes Verfahren.

Etwa 45 Minuten, so der Staatsanwalt Tobias Mästle in seinem Plädoyer, soll die Frau festgehalten und gequält worden sein. Am Schluss flüchteten die Täter ohne die erhoffte Beute – die 82-Jährige ließen sie gefesselt im Haus zurück. Der ganze Tatablauf zeuge von einer „besonders hohen kriminellen Energie“, so Mästle. Für Hedo A. fordert die Staatsanwaltschaft sieben Jahre Haft. Diego C. soll fünf Jahre ins Gefängnis. Die Differenz wurde mit der leicht unterschiedlichen Tatbeteiligung, der Qualität der Geständnisse und dem Vorstrafenregister begründet. Hedo A. ist zwölffach vorbestraft, vor allem wegen Diebstahls, Diego C. ist einmal wegen Körperverletzung verurteilt worden.

Auch der Drahtzieher soll ins Gefängnis

Für den 37-jährigen Elvis O., der vor dem Haus Schmiere gestanden haben soll, forderte die Staatsanwaltschaft zwei Jahre und neun Monate Haft wegen Beihilfe zum Raub. Klaus Z., der mutmaßliche Drahtzieher des Überfalls, soll wegen Beihilfe zum Raub dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. „Er war ein wesentlicher Impulsgeber der Tat“, so Mästle. Jedoch sei eine „Anstiftung zum Wohnungseinbruch“ nicht zweifelsfrei bewiesen.

Die Ausführungen der Anklage riefen heftige Widerreden der Verteidiger hervor. Die Anwälte von Hedo A. griffen die Mästles Rechtsbewertung an. Die Einbrecher hätten kein Fesselwerkzeug mit ins Haus gebracht, also hätten sie auch keinen sogenannten Bemächtigungsplan gehabt. Die 82-jährige war mit ihren eigenen Schals gefesselt worden. Die Übergriffe gegen die 82-Jährige hätten sich aus der Situation ergeben, das sei laut höchstrichterlicher Rechtssprechung bestenfalls als räuberische Erpressung zu werten. Höchstens dreieinhalb Jahre Haft seien dafür angemessen. Diese Ansicht vertrat auch der Verteidiger von Diego C.

Anwalt fordert Bewährungsstrafe

Geht es nach dem Anwalt von Klaus Z., kommt dieser mit einer Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zum Diebstahl davon. Z. sei von den Haupttätern „benutzt“ worden, eigentlich habe er nur an illegal beschaffte Laptops herankommen wollen. Das Urteil wird am Donnerstag, 26. März, gesprochen.