Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Geradezu erschütternd liest es sich, wie sich die Stadt und ihre Institutionen binnen dreier Monate quasi selbst gleichschalteten und viele Vereine unter pathetischen Bekundungen ihr Fähnlein in den Wind hängten. „Kleinstädtisch-kommunale Werthaltungen und Mentalitäten gingen eine Mesalliance ein mit dem vagen politischen Ideenhaushalt der NS-Diktatur, so dass sich eine tendenziell offene und breit anschlussfähige Variante des Nationalsozialismus entwickelte“, schreibt Großbölting.

 

Seilschaften und Katzenbuckelei

Wie die Stadt in diesem Fahrwasser und weitgehend ungestört von Widerstandshandlungen prosperierte, wie sie ihr neues Rathaus baute, wie sie dann die Mobilisierung, den Krieg und schließlich den Zusammenbruch erlebte, schildert das Buch. Aber es beschreibt auch, wie Kercher danach meinte, mit ein paar sozialdemokratischen Stadräten von früher nahtlos an die Zeit vor 1933 anknüpfen zu können – und wie ihm seine Selbstdarstellung im Entnazifizierungsprozess sowie viele Unterstützer den Weg zur späteren Wiederwahl ebneten. Otto Trefz fasste durch alte Seilschaften und Katzbuckelei wieder im Schuldienst Fuß. Als das Staatsministerium ihm seine Pension zusicherte, titulierte ihn der Sachbearbeiter 1958 gar mit „lieber Kamerad“. „Als ich das las, bin ich fast vom Stuhl gefallen“, sagt Großbölting.

Viel mehr Material, als er im Buch aufgearbeitet hat, stellte der Historiker der Stadt als Quellensammlung bereit: Was er in Archiven zu Kornwestheim im Forschungszeitraum fand, steht nun in Datenbanken, auf die Interessierte vom Stadtarchiv aus zugreifen können.

Kercher als „bürgerlicher Transformator“ des Nationalsozialismus

Die Rolle Kerchers thematisierten auch die Zuhörer einer Lesung von Thomas Großbölting. „Er war ein Chamäleon der Macht. Er fuhr auf dem NS-Ticket ins Bürgermeisteramt und nutzte das System für seine Karriere. Er balancierte und kanalisierte Konflikte so, dass sich in Kornwestheim ein Leben mit dem Nationalsozialismus führen ließ, das weitgehend kollisionsfrei war“, so der Wissenschaftler. Kercher sei der „bürgerliche Transformator“ des Nationalsozialismus gewesen.

Die Frage, ob Kercher nicht dennoch das kleinere Übel gewesen sei, beantwortete der Historiker mit einem klaren „Nein“: „Die Diktatur funktionierte nur, weil auch Menschen, die nicht zu 100 Prozent mit dem nationalsozialistischen Gedankengut übereinstimmten, sie getragen haben“, sagte er. Und diese Menschen seien aus der Mitte der Gesellschaft gekommen.

Gleichschaltung im rasanten Tempo

Der Stuttgarter Rechts- und Staatswissenschaftler Alfred Kercher, der vom bürgerlichen Lager elastisch in die NSDAP gewechselt war und seit der Steimle-Affäre als Amtsverweser agiert hatte, war unterdessen als Bürgermeister eingesetzt worden. Beim Festakt bekannte er, Otto Trefz habe nicht nur ihm den Weg geebnet, sondern auch „dem Großteil der Bürgerschaft den Glauben und das unbedingte Vertrauen an die nationalsozialistische Staatsidee geschenkt und neu gefestigt zum Segen für unsere Stadt“. Kerchers Vorgänger Friedrich Siller skandierte: „Heil Hitler, Heil Kercher!“ Später stilisierte sich Kercher als NS-Gegner.

Alfred Kercher als umstrittene Person

Geradezu erschütternd liest es sich, wie sich die Stadt und ihre Institutionen binnen dreier Monate quasi selbst gleichschalteten und viele Vereine unter pathetischen Bekundungen ihr Fähnlein in den Wind hängten. „Kleinstädtisch-kommunale Werthaltungen und Mentalitäten gingen eine Mesalliance ein mit dem vagen politischen Ideenhaushalt der NS-Diktatur, so dass sich eine tendenziell offene und breit anschlussfähige Variante des Nationalsozialismus entwickelte“, schreibt Großbölting.

Seilschaften und Katzenbuckelei

Wie die Stadt in diesem Fahrwasser und weitgehend ungestört von Widerstandshandlungen prosperierte, wie sie ihr neues Rathaus baute, wie sie dann die Mobilisierung, den Krieg und schließlich den Zusammenbruch erlebte, schildert das Buch. Aber es beschreibt auch, wie Kercher danach meinte, mit ein paar sozialdemokratischen Stadräten von früher nahtlos an die Zeit vor 1933 anknüpfen zu können – und wie ihm seine Selbstdarstellung im Entnazifizierungsprozess sowie viele Unterstützer den Weg zur späteren Wiederwahl ebneten. Otto Trefz fasste durch alte Seilschaften und Katzbuckelei wieder im Schuldienst Fuß. Als das Staatsministerium ihm seine Pension zusicherte, titulierte ihn der Sachbearbeiter 1958 gar mit „lieber Kamerad“. „Als ich das las, bin ich fast vom Stuhl gefallen“, sagt Großbölting.

Viel mehr Material, als er im Buch aufgearbeitet hat, stellte der Historiker der Stadt als Quellensammlung bereit: Was er in Archiven zu Kornwestheim im Forschungszeitraum fand, steht nun in Datenbanken, auf die Interessierte vom Stadtarchiv aus zugreifen können.

Kercher als „bürgerlicher Transformator“ des Nationalsozialismus

Die Rolle Kerchers thematisierten auch die Zuhörer einer Lesung von Thomas Großbölting. „Er war ein Chamäleon der Macht. Er fuhr auf dem NS-Ticket ins Bürgermeisteramt und nutzte das System für seine Karriere. Er balancierte und kanalisierte Konflikte so, dass sich in Kornwestheim ein Leben mit dem Nationalsozialismus führen ließ, das weitgehend kollisionsfrei war“, so der Wissenschaftler. Kercher sei der „bürgerliche Transformator“ des Nationalsozialismus gewesen.

Die Frage, ob Kercher nicht dennoch das kleinere Übel gewesen sei, beantwortete der Historiker mit einem klaren „Nein“: „Die Diktatur funktionierte nur, weil auch Menschen, die nicht zu 100 Prozent mit dem nationalsozialistischen Gedankengut übereinstimmten, sie getragen haben“, sagte er. Und diese Menschen seien aus der Mitte der Gesellschaft gekommen.