Der Inhaber der Buchhandlung Lindemanns geht in den Ruhestand. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Und die momentane Lage auf dem Buchmarkt in der Stadt Stuttgart macht die Situation noch schwieriger.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Die Buchhandlung Lindemanns wird aller Voraussicht nach schließen. Seit 1852 wird das Geschäft an der Nadlerstraße hinterm Rathaus unter diesem Namen geführt. Der langjährige Inhaber, Werner Götze, bestätigt gegenüber der StZ, dass er Anfang nächsten Jahres in den Ruhestand geht. Er befindet sich aktuell auf der Suche nach einem Nachfolger . „Wir führen Gespräche“, sagt Götze. Die Lage in der Branche sei allerdings schwierig.

 

Deutschlandweit ächzen Buchhändler unter den Veränderungen des Marktes – das Internet und ein verändertes Lese- und Konsumverhalten der Kunden machen ihnen zu schaffen. Laut dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels stellt der Sortimentsbuchhandel zwar noch den bedeutendsten Vertriebsweg für Bücher, doch das Internetgeschäft holt auf: Während die klassischen Buchhändler im Jahr 2011 ein Umsatzminus von drei Prozent hinnehmen mussten, stieg der Umsatz im Internet um fünf Prozent. Beim Vertrieb liegt der Versandbuchhandel an dritter Stelle.

Werner Götze hat viele Veränderungen und neue Trends miterlebt, seit er 1974 das Geschäft von seinem Vater Walter in dritter Generation übernommen hat – damals war Lindemanns noch eine Bedienungsbuchhandlung mit Büchern hinterm Tresen, heute hat er selbst ein Online-Portal im Internet. In den vergangenen Jahren seien die Umbrüche „extrem“ gewesen. „Es ging Schlag auf Schlag“, sagt der 62-jährige Buchhändler. Er hat sich unter anderem auf Foto- und Reiseliteratur sowie Kinder- und Jugendbücher spezialisiert. Vor allem bei den Landkarten sei die Nachfrage spürbar zurückgegangen. „Die GPS-Generation reist anders“, berichtet Götze. Vor allem Detailkarten würden viel seltener verkauft als früher, die Auflagen seien rapide geschrumpft. Dass es bei den Reiseführern in eine ähnliche Richtung gehen wird, ist für Götze klar: Die App auf dem Smartphone werde für viele den klassischen Reiseführer ersetzen. Und Hörbücher würden vor allem im Internet als MP3-Datei heruntergeladen, statt sie sich auf CD zu kaufen.

Gerüchte machen die Runde

„Die Branche verändert sich stark“, sagt auch Olaf Geyer aus der Geschäftsführung vom Buchhaus Wittwer. Ein Problem sei, dass die Leute schlichtweg weniger lesen würden. Das merke man zum Beispiel an den Auflagen. Heute landeten Titel mit 30 000 verkauften Büchern auf der Bestsellerliste, früher hätten es 50 000 bis 60 000 verkaufte Bücher sein müssen. Das wahrscheinliche Aus von Lindemanns findet Geyer „schade“. Deutschlandweit würden Buchhandlungen schließen – zuletzt hatten in Stuttgart auch Gerüchte über ein eventuelles Aus der Zweitausendeins-Filiale die Runde gemacht. Bei Wittwer seien  keine Verkleinerungen geplant.

Elke Novotny, die Filialleiterin von Hugendubel an der Königstraße, glaubt, dass sich die Lage „noch zuspitzen“ wird. Wer nicht in einer 1-a-Lage sein Geschäft habe, habe es schwer. Der Stuttgarter Hugendubel-Filiale gehe es gut, man habe seit 2008 jedes Jahr den Umsatz gesteigert. „Natürlich ziehen wir Kaufkraft ab“, sagt Novotny. Die größte Konkurrenz sei aber Amazon. „Das gilt auch für uns, die haben den Markt aufgerollt.“ Hugendubel setzt der Entwicklung das eigene Konzept entgegen: die Kunden wollten sich wohlfühlen und auch etwas in den Läden erleben. Die Entwicklung gehe zu einem „Eventbuchhandel“ mit Lesungen und Signierstunden. Wichtig für sie sei auch die Geschenkewelt im Erdgeschoss. Die Non-Book-Artikel hätten an Bedeutung zugenommen – wie die passenden Kochlöffel zum Kochbuch.

Kaffee und Bücher: eine bewährte Mischung

„Non-Books sind eine Möglichkeit, um weggebrochene Bücherumsätze zu kompensieren“, sagt auch Olaf Geyer von Wittwer. Allerdings sieht er es kritisch, wenn die Geschenkartikel überhandnehmen. „Die Buchhandlung muss erkennbar als Buchhandlung bleiben“, stellt der Marketingchef von Wittwer klar. Auch Wittwer setzt auf die Wohlfühlatmosphäre, zum Bespiel mit seinem Café im Haupthaus am Schlossplatz. Die Kooperation mit Hochland sei ein Erfolg, meint Geyer.

Als Reaktion auf Amazon bewirbt Wittwer inzwischen seinen eigenen Versand intensiver. „Wir können das Gleiche, wir sind auch nicht langsamer“, sagt der Prokurist, auch bei ihnen fielen keine Versandkosten beim Bestellen an. „Leider verbindet der Kunde mit dem Online-Bestellen Amazon“, sagt Geyer. Als eine Herausforderung für die Zukunft sieht er das E-Book. Laut einer Studie für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels betrug der Umsatzanteil von E-Books im Jahr 2011 zwar nur ein Prozent, das bedeutete aber eine glatte Verdopplung des Umsatzes gegenüber 2010. Wittwer verkauft selbst E-Books – und auch mehrere E-Book-Reader. „Das muss man anbieten, es wird auch nachgefragt.“ Hugendubel plant laut Elke Novotny, mit einem eigenen E-Book-Reader auf den Markt zu kommen.

Für Werner Götze steht fest: Noch könnten sich viele Kunden nicht vorstellen, nur noch E-Books zu lesen, aber bei der jüngeren Generation werde sich das ändern. „Wir bekommen ein Leseverhalten nebeneinander“, prognostiziert er. Für die Buchhändler bedeutete das: weitere verlorene Kundschaft.