Am Sonntag findet in Freiburg der Bürgerentscheid zum geplanten Bau einer neuen Fußballarena statt. Die Befürworter trommeln heftig für den Neubau, den Gegnern liegen die prognostizierten Kosten von 107 Millionen Euro im Magen.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Und das glauben Sie wirklich?“ Der Mann in der Freiburger Straßenbahn stiert sein Gegenüber an wie ein Wesen von einem anderen Stern. Die Dame mit dem Kurzhaarschnitt hat dem renommierten Sportjournalisten kurz und trocken ihre Meinung zur geplanten Fußballarena offenbart. „Das geht zu Lasten von Schulen und Kindergärten, das ist zu teuer für die Stadt.“ Am kommenden Sonntag, 1. Februar, können 168 000 stimmberechtigte Freiburger entscheiden, ob im Freiburger Westen mit Steuergeld in zweistelliger Millionenhöhe ein Fußballtempel mit 35 000 Plätzen für den derzeitigen Abstiegskandidaten Nummer eins der Bundesliga geplant und gebaut werden soll.

 

Die Episode in der Straßenbahn ist ein Warnsignal. Die Stadion-Befürworter – der Proficlub und seine Fan-Gruppen, die Stadtverwaltung, die Mehrheit im Gemeinderat und die Lokalprominenz – agieren wie eine versierte Fußballelf: Da wird ein Starspieler nach dem anderen eingewechselt, es werden atemberaubende Flanken geschlagen, die VIP-Lounge applaudiert mit der Nordkurve um die Wette. Der Ball rollt wie am Schnürchen in den eigenen Reihen – aber ob er im Tor landet, ist ungewiss. Denn das Pro-Lager unterschätzt eine unsichtbare Abwehrmauer: Viele Freiburger, die am Sonntag mit Nein abstimmen werden, haben nichts gegen Fußball und gönnen dem Erstligisten ein neues Stadion von Herzen, genauso wie Weltmeistertrainer Jogi Löw. Das Ja-Lager wiederholt aus vielen prominenten Mündern, dass der SC ein neues Stadion brauche, weil das alte marode und der SC damit nicht „zukunftsfähig“ sei. Der springende Punkt ist aber eine Zahl: 38 Millionen Euro von den zurzeit geschätzten 107 Millionen Euro Gesamtkosten soll die Stadt Freiburg laut dem Finanzierungskonzept, das neben dem Standort zur Abstimmung steht, zuschießen. Oder sogar mehr. Der misstrauische Ex-FDP-Stadtrat Sascha Fiek rechnet mit Kosten von 120 Millionen Euro, von denen die öffentliche Hand die Hälfte übernehmen muss. In der Aufstellung fehlen nämlich einige Posten, zum Beispiel der Grundstückswert und ein Teil der Infrastrukturmaßnahmen.

Auch das Land beteiligt sich mit 11 Millionen Euro

Auch das Land Baden-Württemberg beteiligt sich mit rund 11 Millionen Euro – mit einer fantasievollen Methode. Weil das Förderprogramm ausgelaufen ist, von dem andere Erstligisten wie Stuttgart oder Karlsruhe profitiert haben, finanziert das Land jetzt eben Einrichtungen im Stadion, die auch von den benachbarten Fakultäten der Universität genutzt werden können. Zum Beispiel eine Mensa. Und obendrauf setzt die landeseigene Rothaus-Brauerei sozusagen das Schaumkrönchen, sie wird eine stille Beteiligung von 13 Millionen Euro bei der Freiburger Messegesellschaft auf die neu zu gründende Objektträgergesellschaft für die Arena umschichten.

Und was zahlt der Sportclub selbst? In die Objektträgergesellschaft bringt der solide geführte, schuldenfreie Verein 15 Millionen Euro ein, die er laut Präsident und Gastronom Fritz Keller bereits angespart hat. Und jährlich eine weitere Million bis maximal 20 Millionen Euro – aber nur, wenn der Verein in der ersten Liga spielt. Und er zahlt Stadionpacht, mit der die Schulden für das Stadion getilgt werden sollen. Deren Höhe hängt auch von der Zugehörigkeit zur ersten oder zweiten Liga ab. Unklar ist, was passiert, wenn der Club in die dritte Liga fällt. Ein Tilgungsfehlbetrag wird irgendwann bei der Stadt hängenbleiben, weil sie eine Bürgschaft übernimmt. „Das sogenannte Finanzierungskonzept der Stadt Freiburg verschleiert sämtliche Risiken“, empört sich Adalbert Häge, der frühere Badenova-Chef. Der streitbare Bahnkritiker hat sich den Stadion-Skeptikern angeschlossen, weil er keinen „Blankoscheck“ unterschreiben will.

Die Anwohner in Mooswald fürchten den Lärm

Der „Bürgerinitiative Pro Wolfswinkel“ und der „BI pro Flugplatz“ hingegen geht es mehr um den Standort. Die Anwohner des nahen Stadtteils Mooswald befürchten Lärmbelästigung, die Sportflieger und Fallschirmspringer befürchten Luftwirbel und Einschränkungen des Flugbetriebs. Das Gutachtergeplänkel darüber interessiert vor allem den Freiburger Westen. Die Frage, ob es Aufgabe der Stadt sei, einem profitablen Proficlub so massiv finanziell unter die Arme zu greifen, bewegt auch die östlichen Stadtteile, Marktliberale wie Linke.

Siegen die Befürworter auch nur knapp, ist alles klar. Die Gegner brauchen dagegen eine Mehrheit von mindestens einem Viertel der Wahlberechtigten. Eine Prognose zum Ausgang des Bürgerentscheids wagt derzeit niemand. Heiße Wahlkampfstimmung will in der Stadt aber auch nicht aufkommen, nicht so wie bei der letzten, durch Unterschriften erzwungenen Abstimmung im Jahr 2006, als es um den geplanten Verkauf der städtischen Wohnungen ging. Den hat Oberbürgermeister Dieter Salomon haushoch verloren.

Auch der OB muss auf einen Sieg hoffen

Den Bürgerentscheid zum Stadion hat der Gemeinderat beschlossen. „Es wird Zeit, dass ich mal einen Bürgerentscheid gewinne“, frotzelte der Rathauschef vor Weihnachten. Vor seiner Wiederwahl 2010 war Salomon noch gegen ein neues Stadion, jetzt muss er auf einen Sieg hoffen. Wie auch der Sportclub beim Rückrundenstart am Samstag gegen Eintracht Frankfurt. Seine letzten Testspiele verlor Freiburg gegen Karlsruhe 0:5 und gegen Basel 0:2.