Innenminister Reinhold Gall hat die Eckpunkte für eine Änderung der Gemeindeordnung vorgelegt. Die Hürden für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide werden moderat gesenkt, die Rechte von Kindern und Jugendlichen gestärkt.

Stuttgart - Die von Grün-Rot angekündigte Änderung der Kommunalverfassung fällt umfangreicher aus als erwartet. Nicht nur die direkte Demokratie in den Städten und Gemeinden wird erweitert, auch die Jugendrechte sowie die Gemeinderatsfraktionen werden gestärkt. Innenminister Reinhold Gall (SPD) stellte am Dienstag die Eckpunkte vor.

 

Das Vorhaben ist Teil einer interfraktionellen Absprache im Landtag, welche auch die Einführung der Volksinitiative auf Landesebene einschließt sowie die Hürden für Volksabstimmungen absenkt. Die dafür nötige Verfassungsänderung steht noch aus, soll aber in dieser Legislaturperiode erfolgen. Zu den Bemühungen der Koalition um mehr Bürgerbeteiligung zählt außerdem der Planungsleitfaden für große Infrastrukturvorhaben. Er soll sicher stellen, dass die Bürger bei Planung und Bau zum Beispiel von Straßen nicht übergangen werden. Der Planungsleitfaden liegt vor und ist in Kraft. Jedoch gilt er nur dort, wo das Land als Vorhabenträger auftritt.

Kretschmann hatte sich mehr erhofft

Die von Gall annoncierten Änderungen der Gemeindeordnung bewegen sich im Rahmen dessen, was aus den Landtagsfraktionen bereits durchgesichert war. Das Unterschriftenquorum für Bürgerbegehren wird von zehn Prozent moderat auf sieben Prozent reduziert (maximal 20 000 Unterschriften). Beim Bürgerentscheid wird das Zustimmungsquorum von 25 auf 20 Prozent abgesenkt. Das bedeutet: Die Mehrheit beim Bürgerentscheid sichert nur dann den Erfolg eines Bürgerbegehrens, wenn sie zugleich ein Fünftel der abstimmungsberechtigten Bürger umfasst.

Innenminister Gall sprach von einem Kompromiss, bei dem auch die Interessen der Landtagsopposition Berücksichtigung gefunden hätten. Diese Rücksichtnahme ist den Mehrheitsverhältnissen im Landtag geschuldet. Zwar wäre Grün-Rot in der Lage gewesen, sowohl Bürgerbegehren wie auch Bürgerentscheide ohne die Opposition zu erleichtern. Doch in Sachen Volksabstimmungen auf Landesebene ist die Koalition wegen der Verfassungsänderung auf die CDU angewiesen. Deshalb wurde ein Gesamtpaket vereinbart. Ministerpräsident Winfried Kretschmann ließ durchblicken, dass er eine weiter reichende Lösung im Sinn gehabt hatte: „Ich bin kein Anhänger hoher Quoren.“ Die Ängste, dass bei einem Verzicht auf Quoren allerlei Minderheiten ihre Interessen zu Lasten des Gemeinwohls durchsetzten, nannte der Regierungschef übertrieben.

Abstimmung auch über Bauleitplanung

Wendet sich ein Bürgerbegehren gegen Beschlüsse des Gemeinderats, so bleiben drei Monate Zeit fürs Sammeln von Unterschriften. Bisher musste das Bürgerbegehren innerhalb von sechs Wochen nach der Entscheidung im Gemeinderat eingereicht werden. Anders als bisher kann künftig auch über die Bauleitplanung abgestimmt werden – zumindest gilt dies für den einleitenden Beschluss zum Bauleitplanverfahren. Und noch in einem weiteren Punkt werden Bürgerbegehren erleichtert. Die Gemeindeordnung schreibt vor, dass die Initiatoren ihre Alternative mit einem Kostendeckungsvorschlag unterlegen müssen. Das ist für Laien nicht immer ganz leicht. Deshalb werden die Kommunalverwaltungen fortan verpflichtet, in der Kostenfrage eine gewisse Hilfestellung zu geben.

Dazu kommen noch einige weitere Neuerungen in der Gemeindeordnung, die mit der CDU nicht besprochen wurden – ein Vorgehen, das CDU-Fraktionschef Peter Hauk scharf rügte.

– Die Bürgerversammlung wird zur Einwohnerversammlung; sie kann also auch von Staatsangehörigen aus Nicht-EU-Staaten beantragt werden. Dies gilt auch für Personen mit einem Zweitwohnsitz in der Kommune.

– Die Bildung von Fraktionen in den kommunalen Gremien wird gesetzlich geregelt. Die Fraktionen können Sitzungen beantragen, die Tagesordnung beeinflussen oder auf die Veröffentlichung eigener Stellungnahmen im Amtsblatt dringen. Der Gemeinderat beschließt über die Haushaltsmittel für die Fraktionsarbeit.

– Die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen werden verbindlich in der Gemeindeordnung verankert. Jugendliche können beantragen, dass eine Jugendvertretung eingerichtet wird. Die Jugendvertretung erhält ein Rede-, Anhörungs- und Antragsrecht im Gemeinderat – und dazu ein eigenes Budget.

– Alle Stadtkreise und große Kreisstädte können sich eine Bezirksverfassung geben.