Die USA und ihre Verbündeten haben sich ohne wirklichen Plan in den Bürgergkrieg in Syrien eingemischt, sagt Nahost-Experte Michael Lüders. Das hatte fatale Folgen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Der Diktator Baschar al-Assad sitzt in Syrien fester im Sattel als zuvor. Das ist die Schuld des Westens, sagt der Autor und Politikberater Michael Lüders. Die USA und ihre Verbündeten hätten auf die falschen Rebellengruppen gesetzt. Er ist überzeugt: Die Gruppen, die gegen das Regime gekämpft haben, seien vor allem radikale Islamisten und hätten nicht die Unterstützung des Volkes.

 
Herr Lüders, eines der wichtigsten Ziele des Westens in Syrien war von Anfang an der Sturz des Diktators Baschar al-Assads. War das ein Fehler?
Das war aus zwei Gründen ein Fehler. Zum einen gibt es dafür keine völkerrechtliche Grundlage. So verbrecherisch das Regime war und ist, kann eine fremde Macht nicht einfach beschließen, ein Regime zu stürzen. Zudem hat der Westen nicht überlegt, wie er dieses Ziel erreichen kann und wer im Falle eines Sturzes die Macht in Syrien übernimmt. Das Ergebnis ist, dass Assad jetzt fester im Sattel sitzt als je zuvor, auch weil er von Russland und dem Iran massiv unterstützt worden ist.
Wie steht das syrische Volk zu Assad?
Noch immer wird Assad von weiten Teilen der syrischen Bevölkerung unterstützt, vor allem auch von den religiösen Minderheiten. Das heißt nicht, dass die Menschen ihn lieben, aber sie haben Angst vor dem, was nach Assad kommen könnte - nämlich eine Machtübernahme radikaler Islamisten.
Die USA haben im Kampf gegen Assad auf die Aufständischen gesetzt. Man hat aber den Eindruck, dass die im Laufe der Jahre schlicht im Stich gelassen worden sind.
Das zentrale Problem ist, dass die USA vor allem auf die falschen Rebellen gesetzt haben. Im Westen glaubt man noch immer, dass in Syrien das gesamte Volk gegen Assad kämpfe. Das aber ist nicht der Fall. Diejenigen, die gegen das Regime gekämpft haben, waren vorwiegend radikale Islamisten aus dem Umfeld von Al-Kaida oder vom Islamischen Staat. Der westliche Glaube an eine gemäßigte Opposition ist Wunschdenken, die gab es nur in Ansätzen. Militärisch von Bedeutung war sie nie.
Das Eingreifen Russlands in Syrien hat wieder Bewegung in einen festgefahrenen Krieg gebracht. Was hat Russland anders gemacht als die USA?
Moskau hat sehr nüchtern und rational die Verhältnisse in Syrien analysiert – dasselbe hat übrigens auch der Iran getan. Im Gegensatz zum Westen haben sich beide Staaten nicht von dem Wunschdenken nach einem Sturz des Regimes durch eine mehr als zweifelhafte Opposition leiten lassen. Das Kalkül im Kreml war, das Regime zu stabilisieren und dann die islamistischen Milizen eine nach der anderen auszuschalten. Außerdem konnte Russland auf diese Weise seinen Einfluss in der Region sichern. Diese strategischen Überlegungen – so zynisch sie auch sein mögen – hat man im Westen nicht gemacht.
Der Krieg wird hoffentlich bald zu Ende sein – was kommt dann?
Der Krieg ist im Westen aus den Medien und aus der politischen Wahrnehmung völlig rausgefallen. Das heißt aber nicht, dass die Lage in Syrien befriedet wäre. Es gibt sehr viele Akteure, die von außen einwirken. Im Augenblick ist es vor allem die Türkei, die versucht im Norden und Nordwesten Syriens die Kurden unter Kontrolle zu bringen. Ankara kontrolliert dort bereits ein Gebiet von der Größe des Saarlandes. Das Ziel ist es, die Kurden dort klein zu halten, die eng mit der PKK kooperieren.
Welche Ziele verfolgen die USA?
Die Amerikaner wissen noch nicht, was sie machen wollen in Syrien. Sie unterstützen weiter bestimmte Milizen, das tun aber auch die Russen und die Iraner. Das heißt, wir haben weiter einen blutigen Stellvertreterkrieg.
Was bedeutet ein Ende der Kämpfe in Syrien für die Flüchtlinge?
Viele Flüchtlinge sind schon nach Syrien zurück gekehrt, vor allem aus der Türkei und dem Libanon, auch Jordanien. Sie glauben, dass sie in ihrer alten Heimat eine Zukunft haben. Ob das tatsächlich der Fall ist, wird sich zeigen. Die Flüchtlingsfrage bleibt erst einmal virulent.
Werden auch die Flüchtlinge in Deutschland zurückkehren?
Das ist eine andere Situation. Dadurch, dass die meisten Flüchtlinge in Deutschland als politische Flüchtlinge anerkannt worden sind, werden die sehr wahrscheinlich in Deutschland bleiben, auch wenn der Krieg zu einem Ende kommen sollte. Der Grund liegt auf der Hand: Wenn man als poltischer Flüchtling anerkannt worden ist, hat man mehr Rechte, als wenn man ein sogenannter Kontingentflüchtling ist. Die Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien zum Beispiel waren Kontingentflüchtlinge. Das heißt: sie konnten bleiben, bis der Krieg vorbei war, mussten dann aber wieder zurück. Das ist bei den Flüchtlingen aus Syrien nur teilweise der Fall, deshalb gehe ich davon aus, dass die meisten nicht zurück nach Syrien gehen werden.