Region: Verena Mayer (ena)
Wie sieht denn ein halbwegs normaler Tag – zumindest in der Theorie – aus?
Meistens beginnt so ein Tag mit dem Lesen von E-Mails. Täglich gehen an die 200 Nachrichten bei uns ein. Da kann es um eine Preisanfrage gehen, um eine Auftragserteilung oder die Nachfrage einer Fluglinie. Neulich zum Beispiel hatten wir eine Sendung für ein Observatorium in Chile. Wir hatten die Kundin darauf hingewiesen, dass das Paket nicht höher sein darf als 1,60 Meter, weil der Flieger maximale Lademaße hat. Nach den Angaben der Kundin hätte eigentlich alles passen müssen. Aber trotzdem stand die Fracht letztlich vorm Flieger und passte nicht rein. Das war ein Riesentheater.
Verschicken Sie auch Tiere?
Tiere sind bei uns die Ausnahme. Zum einen, weil es dafür in Frankfurt eine spezielle Tierstation gibt samt Tierärzten, zum anderen, weil es auch Spediteure gibt, die auf diesen Versand spezialisiert sind. Wir haben aber mal einen Hund verschickt, dessen Herrchen nach Südamerika auswanderte. Was wir allerdings regelmäßig transportieren, sind Verstorbene.
Verstorbene?
In der Regel sind es Italiener oder Spanier, die Einwanderer der 60er Jahre eben, die in ihrem Heimatland beerdigt werden wollen. Als die ersten Anfragen für diese Art von Fracht kamen, hatte ich große Berührungsängste. Aber natürlich gehört Sterben zum Leben dazu, und ich habe mich an dieses Geschäft gewöhnt. Und wenn ich dazu beitragen kann, den letzten Willen eines Verstorbenen zu erfüllen, dann tue ich das gerne.
Ihre Fracht ist in der Regel sehr wertvoll. Belastet Sie diese Verantwortung nicht?
Ich bin mir der Verantwortung schon bewusst. Speziell wenn man weiß, dass Bänder stillstehen, falls die Sendung nicht rechtzeitig ankommt. Aber generell ist es Tagesgeschäft Dinge schnellstmöglich von A nach B zu bringen. Das finde ich spannend. Mein persönliches Highlight war ein Auftrag vor drei Jahren. Ein Kunde hatte so viel Fracht zum Versenden, dass ich innerhalb von acht Wochen fünf Boeing 747 füllen konnte. Beim Gedanken daran kriege ich noch heute Gänsehaut. Das ist so ein tolles Gefühl: wenn der volle Flieger am Rollfeld steht und losfährt.
Sie dürfen nicht einfach glauben, was auf den Frachtpapieren steht. Müssen Sie extrem misstrauisch sein?
Seit dem 11. September hat sich die Luftfracht stark verändert. Kunden können sich nun als „Bekannter Versender“ zertifizieren lassen. Ihre Fracht muss von uns nicht mehr speziell kontrolliert werden, da solche Versender bereits die strengen Auflagen des Luftfahrtbundesamtes erfüllen. Doch diese Zertifizierung lohnt sich nicht für jedes Unternehmen, das sind dann die sogenannten „nicht bekannten Versender“. Deren Ware müssen wir röntgen. Und auch wir selbst werden regelmäßig durch das Luftfahrtbundesamt auditiert.
Hat Ihre Röntgenanlage mal angeschlagen?
Im vergangenen Jahr hatten wir einen Bombenalarm. Ein Prüfer hatte festgestellt, dass in einem der Pakete ein Explosivstoff enthalten sein könnte. Das Büro und das Lager wurden evakuiert, und der Absender musste schließlich vor den Augen der alarmierten Polizisten das Paket öffnen. Wie sich herausstellte, hatte der Kunde eine Lampe verschicken wollen, doch dabei den Akku mit den Batterien nicht deklariert.
Haben Sie manchmal ein schlechtes Gewissen, weil Sie womöglich eine Sendung an jemanden schicken, mit dem Sie persönlich keine Geschäfte machen würden?
Es gibt Schurkenstaaten, aber in erster Linie ist es die Sache des Absenders, das zu prüfen, und die des Zolls. Wir in der Abfertigung halten uns an die Vorschriften des Konzerns, wonach manche Länder aus Sanktionsgründen nicht beliefert werden.