Region: Verena Mayer (ena)
Sie klingen, als sei Ihre Meinung nichtig.
Ich frage ich mich wirklich oft, was ein Kunstwerk ausmacht – aber ich finde einfach keine Antwort. Ich bin nicht gebildet genug, um Worte zu finden, wie es Experten tun. Ich befasse mich nicht bestimmten Künstlern oder Stilen, bin in keinem Kunstverein, lese keine Fachbücher. Ich kann nur sagen, ob mich ein Bild anspricht oder nicht.
Glauben Sie nicht, dass das vielen Menschen so geht?
Doch, ich glaube sogar, dass es sehr vielen Menschen so geht. Und manchmal denke ich, dass es schon eine Kunst ist, dem eigenen Eindruck zu vertrauen, wenn man einfach sagen kann: Dieses Werk gefällt mir, das berührt mich – warum auch immer. Aber öfter denke ich auch, dass das nicht genug ist.
Gehen Sie regelmäßig in Museen?
Wenn wir verreisen, schaue ich immer, welches Museum in dieser Stadt interessant für mich sein könnte. Vor ein paar Jahren habe ich sogar das Guggenheim-Museum in Bilbao besichtigen können. Das fand ich unheimlich schick und modern. Und als meine Tochter und ich mal in Berlin waren, war zur gleichen Zeit eine Matisse-Ausstellung. Die war toll, einfach toll. Auf der Eintrittskarte war die berühmte blaue Frau abgebildet – die habe ich mir eingerahmt.
Sie haben keinen Kunstdruck gekauft?
Das würde ich nie tun!
Warum nicht?
Wenn ich mir etwas aufhänge, möchte ich, dass ich weiß, da hat sich jemand Mühe gemacht, etwas selbst herzustellen. Auf einem Plakat, das massenhaft hergestellt wird, geht dieser Charakter verloren. Das ist seelenlos, finde ich.
Vor einem Jahr wurde ein Gemälde von Picasso für 160 Millionen Euro versteigert. „Die Frauen von Algerien“ sind seither das teuerste Bild, das jemals bei einer Auktion unter den Hammer kam. Können Sie so etwas nachvollziehen?
Überhaupt nicht! Wenn ich von solchen Preisen höre, frage ich mich immer: Bin ich so ein Banause, dass ich überhaupt nicht weiß, warum jemand so viel Geld für ein Bild bezahlt? Aber ich komme nicht dahinter.
Manche Menschen kaufen sich Kunst schlicht als Kapitalanlage.
Und stellen sie noch nicht einmal aus, sondern verwahren sie in einem Tresor. So etwas kann ich mir gar nicht vorstellen.
Hat eines Ihrer Kunststücke im Laufe der Jahre seinen Wert gesteigert?
Mein Auto.
Ihr Auto?
Ich habe mir von meiner Tochter zum 75. Geburtstag gewünscht, dass sie es bemalt. Erst wollte sie nicht, aber ich habe nicht lockergelassen. Jetzt ist das einst weiße Auto bunt. Auf dem Kühler blüht eine große Blume, und den Rest des Wagens zieren viele kleine, farbenfrohe Blumen.
Ihr Golf wurde also zum Kunstobjekt.
Ja, und wenn ich unterwegs bin, strecken die Leute am Straßenrand den Daumen hoch, oder sie sprechen mich an, wenn ich anhalte. Mit dem Auto fällt man überall auf. Ich bin sicher, es hat durch die Farbe sehr an Wert gewonnen.
Hatten Sie nie Lust, selbst etwas zu malen?
Nein, überhaupt nicht! Ich bin zufrieden, wenn ich mir die Bilder anschaue. Am liebsten bin ich hier in meinem Arbeitszimmer, da hängen meine Lieblingsbilder. Manchmal, wenn ich krank oder traurig bin, beruhigen sie mich oder heitern mich auf. Wenn ich fertig geschaut habe, denke ich immer: Nimm die Dinge nicht so schwer. Es geht doch immer wieder weiter.