Reportage: Robin Szuttor (szu)
Welches sind Ihre Lieblingsbücher?
Das ist so schwer zu sagen. Ich mag „La Chanson de Roland“ aus dem 11. Jahrhundert, zu dem ich Aquatinta von Marcel Chirnoaga stellte. Oder der „Faust“-Band mit den Malereien von Geta Bratescu, die sich von Goethes Farbenlehre inspirieren ließ. Aber es gibt so viele Bücher, die mir lieb sind. Wegen des Buches „Bekenntnisse eines englischen Opiumessers“ wurde ich sogar vom Staatsanwalt verhört. Ich hatte es mit düsteren Gravuren aus dem 19. Jahrhundert illustriert. Ein psychisch Kranker, der eine Frau mit einer Axt umgebracht hatte, sagte vor Gericht, diese Illustrationen hätten ihn zur Tat verleitet. Aber die staatliche Zensur hatte das Buch ja mit ihrem Stempel frei gegeben, so war der Fall für mich schnell erledigt.
Wurden Sie sehr eingeengt?
Wir wussten, bei welchen Leuten im Verlag wir vorsichtig sein mussten. Ich konnte mich entfalten, die Dichter, Künstler, Redakteure hatten mehr Druck. Manchmal haben wir dem Apparat ein Schnippchen geschlagen: Ich habe auch das Literaturmagazin „Manuscriptum“ mit Werken bereits verstorbener Dichter gestaltet. Auf der ersten Seite musste immer ein Porträt des Staatspräsidenten Nicolae Ceausescu stehen. Nun hatte ich die Idee, das Bild wegzulassen – mit der Begründung, dass wir den Conducator doch nicht mit so vielen Toten in Zusammenhang bringen können. So ging es tatsächlich durch die Zensur. Wir fühlten uns großartig. Und ein anderes Mal ist mir ein Fehler unterlaufen: Statt, wie bei Kalendern vorgeschrieben, den Geburtstag Ceausescus rot zu kennzeichnen, habe ich den 26. Januar ganz vergessen. Man witterte sofort Aufruhr. Es folgten viele Gespräche, um nicht zu sagen Verhöre.
Wie lebten Sie außerhalb der Arbeit?
Es war ein täglicher Kampf. Wir hatten Angst, im Aufzug zur Wohnung zu fahren, weil oft der Strom plötzlich für unbestimmte Zeit ausfiel. Wir hatten Schwierigkeiten, satt zu werden. Stundenlang sind wir für Fleisch angestanden, am Ende war schon alles weg. Die anfängliche Hinwendung zum Westen brachte etwas Wohlstand. Auch als sich Ceausescu nicht am Niederschlag des Prager Frühlings beteiligte, profitierte die Wirtschaft durch Aufträge. Aber als er nach seinen Besuchen in China und Korea einen Personenkult wie Mao oder Kim Il-sung entfaltete, fing das Unglück an: immer weniger Freiheit, immer mehr Entbehrung. Alles ging in den Export, wir bekamen nur die Knochen. Benzin war auf 20 Liter wöchentlich begrenzt. Wir horteten es in Kanistern, um mit dem Trabi in die Ferien an das Schwarze Meer fahren zu können.
So wuchs der Wunsch auszubrechen?
Der Grund dafür war nicht das Materielle. Es war der brennende Wunsch, aus einem Land zu entkommen, wo Freiheit nur noch eine Parole war. 1986, bei einem DDR-Besuch, stellte ich mich in der Schlange an, um am S-Bahnhof Friedrichstraße ein Billett nach Westberlin zu kaufen. Das war verrückt. Einem Zöllner musste ich schließlich meinen rumänischen Pass zeigen. Der schrie: „Was suchst du hier? Zurück mit dir!“
Wie haben Sie es dann geschafft?
Meine Frau bekam im gleichen Jahr eine Genehmigung, in Paris auszustellen. Sie blieb und beantragte bei der Weltorganisation für Menschenrechte eine Familienzusammenführung. Kurz darauf saß ich einem Offizier der Securitate gegenüber. Ich solle mir meine Frau und die Ausreise aus dem Kopf schlagen, meinte er. Er erzählte von seiner Mitarbeiterin: „Sie ist auch schön, und sie möchte heiraten, in zwei Tagen kannst du schon geschieden sein.“ Ich tat den Vorschlag als ordinär ab. Gut, dann werde das mit der Ausreise dauern, bekam ich zu hören. Es dauerte drei Jahre, bis 1989.