Reportage: Robin Szuttor (szu)
Hier fingen Sie von null an.
Wir hatten unsere Eigentumswohnung verloren, unsere Ersparnisse, wir hatten nur noch einander. Ich hoffte sehr, mich in der BRD weiterentwickeln zu können. Auf der Leipziger Buchmesse hatte ich immer gesehen, wie rückständig Rumänien war. Ich wollte mehr. Ich sah die große Chance, in dem Land meiner Eltern und Großeltern, im Land weltberühmter Drucktechniken und schier unerschöpflicher typografischer Möglichkeiten zu wachsen.
Aber Sie blühten nicht auf.
Es sollte enttäuschend werden. Ich glaubte, mit meinen Fähigkeiten könnte ich hier gefragt sein. Aber der erste Kontakt mit dem Arbeitsamt hat mir die Flügel gebrochen. Der Beamte sagte, ich sei in meinem Alter nicht mehr vermittelbar. Seine Perspektive für mich war: drei Jahre Eingliederungsgeld, dann ein paar Jahre arbeitslos, dann Frührente.
Haben Sie es eingesehen?
Nein, ich bewarb mich mit meinen Auszeichnungen auf eigene Faust. Ein Mann vom Klett Verlag fragte mich beim Gespräch als Erstes, ob ich EDV-Kenntnisse habe. Natürlich nicht. Ich hatte nur meine Schreibmaschine Erika, für deren Nutzung ich jährlich eine neue Lizenz von der Miliz beantragen musste. Ein Freund, der im Stuttgarter Pressehaus arbeitete, vermittelte mir hier 1990 eine Stelle in der Druckvorstufe, später war ich Disponent. So blieb ich.
Bis zur Rente.
Im April 2003 bin ich in Rente gegangen. Ich habe 38 Jahre in Rumänien gearbeitet, aber durch das Fremdrentengesetz wird nur ein kleiner Teil davon anerkannt. Ich muss weiter Geld verdienen, mit der Rente kann ich die Miete bezahlen, habe aber nichts mehr zum Leben übrig. So bin ich froh, dass ich die Stelle beim Empfang gefunden habe. Vor drei Jahren wurde der Bereich aus dem Konzern ausgelagert. Die Firma Wisag übernahm mich, ich arbeite Teilzeit. Das geht und macht Spaß.
Wie ist die Arbeit?
Ich kenne viele Leute, begrüße viele mit Namen, das ist auch ein gutes Training für den Kopf. In der Nachtschicht lese ich die frisch gedruckte Zeitung, dann den zweiten, den dritten Andruck und schaue, was sich verändert hat. Doch muss man natürlich immer präsent sein. Auch nachts kommen viele Leute. Oder man muss einen Krankenwagen rufen, wenn was passiert. Oder weitergeben, wenn bei der Haustechnik etwas nicht in Ordnung ist.
Sind Sie zufrieden?
Es hat wehgetan, dass ich die Leidenschaft für meinen Beruf hier nie zeigen konnte. Aber wichtiger war damals, ein neues Zuhause zu finden, anzukommen, normal zu leben. Ich sage immer: Hätte ich diesen Schritt nicht gemacht, von dem ich immer träumte, hätte ich es mir im Alter vorgeworfen. Nun, da ich ihn gemacht habe, sage ich nicht, dass ich unzufrieden bin. Ich habe Deutschland kennengelernt, Städte, über die ich viel gelesen hatte. Ich bin mit der Frau zusammen, die ich liebe. Ob du im Leben etwas erreicht oder verpasst hast: alles gehört zum Leben, und wichtig sind die Erfahrungen.