Viktor Maschek unterrichtete einst an der Kunstakademie für Buchgestaltung in Bukarest: Teil 5 der StZ-Gesprächsreihe „Bürgersprechstunde“.

Reportage: Robin Szuttor (szu)
Stuttgart - Viktor Maschek hat Räucherstäbchen angezündet. Die kleine Wohnung in Stuttgart-Schönberg ist hübsch eingerichtet: ein Strauß Palmkätzchen neben Orchideen, in den Vitrinen ein Teeservice, verzierte Flacons, Kerzenleuchter aus Glas, Schälchen mit Korallen und Muscheln. An der Wand hängen Werke seiner Frau Denissa: verbildlichte Interpretationen von Jorge Luis Borges’ „Sandbuch“. Wie jeden Vormittag läuft Klassik-Radio: „Di Provenza il mar“ aus „La Traviata“. Maschek möchte über die Schönheit von Büchern reden.
Herr Maschek, erzählen Sie Ihre Geschichte!
Vor 26 Jahren kam ich als Spätaussiedler aus Rumänien. Jetzt bin ich weit über 70. Ich arbeite am Empfang des Stuttgarter Pressehauses. Von Beruf bin ich Typograf. Ich war es immer mit Herz und Seele, und ich bin es im Grunde immer noch. Büchern gilt meine große Liebe. Das klingt anachronistisch in Zeiten von iPad, Smartphone, Kindle. Aber das Buch begleitet die Menschheitsgeschichte. Es kommt auf die Welt durch Geist, Handwerk und typografische Kunst. Die Bilder in einem Buch stehen wie in einem Rahmen. Jeder Buchstabe hat sein eigenes Zusammenspiel von Kontur und innerem Raum. Buchstaben sind wie Skulpturen.
Ist diese Zuneigung genetisch bedingt?
Mein Großvater kam mit einer deutschen Firma nach Rumänien, die Maschinen für Schlachthäuser herstellte. Mein Vater war Automechaniker und hat viele technische und literarische Bücher gelesen. Meine Mutter war Übersetzerin für Deutsch und Französisch. Sie haben mich geprägt. Aber ebenso wichtig war für mich das Benediktiner-Lyceum, das ich besuchte. Die Brüder förderten jeden nach seinem Talent. Ich habe ihnen viel zu verdanken.
Eine gute Kindheit?
Ja. Hier hört man so viel von Misshandlung. Das gab es bei uns nicht. Gut, die Mönche haben uns an den Ohren gezogen manchmal, aber nicht schlimm. Sie lehrten uns Toleranz und Respekt gegenüber dem Nächsten. Sie haben einen jüdischen Jungen geschützt – und etwas riskiert für ihre Menschlichkeit.
Wie erlebten Sie den Krieg?
Ich erinnere mich an eine Nacht im Schutzkeller, ich zitterte um meinen Vater, der draußen war. Ich weiß auch, dass ich begeistert war von den Uniformen. Mein Vater sagte: „Hier strahlt alles, aber auf dem Schlachtfeld ist der Glanz schnell weg.“ Später, als die Russen kamen und die Deutschen verschleppten, sind wir in ein kleines Dorf geflüchtet. Erst nach ein paar Jahren, als sich die Lage beruhigt hatte, kehrten wir zurück nach Bukarest.
Dann starteten Sie Ihre Karriere.
Mein Ziel war schon als Jugendlicher, Bücher zu machen. Ich besuchte das Technische Gymnasium für Druck- und Verlagsverfahren und die Hochschule für Zeichnung und Malerei. Danach habe ich zehn Jahre Schulbücher gestaltet, bis ich zum Univers-Verlag für Weltliteratur kam. Das war es, was ich immer machen wollte. Ich kam in Kontakt mit Autoren, Malern, Grafikern. Das war meine Welt. Auch die Magazine für die deutsche Minderheit „Neuer Weg Kalender“ und „Komm mit“ trugen meinen Stil. Und ich unterrichtete an der Kunstakademie für Buchgestaltung. wo ich meine Frau kennenlernte. Sie war Studentin bei mir.
Erzählen Sie von Ihrer Arbeit.
Ich wollte jedem Buch Leben schenken. Beeinflusst wurde ich durch die Bauhauslehre und die neue Typografie von Moholy-Nagy. Später habe ich Albert Kapr kennengelernt, Professor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, es war sehr bereichernd. Wenn ein Manuskript kam, hatte ich meist schon eine Idee, welcher Künstler mit seinen Illustrationen eine seelische Verbindung zu dem Text herstellen kann. Bei der Internationalen Buchmesse 1971 in Leipzig bekam ich in der Sparte „Schönste Bücher aus aller Welt“ eine Silbermedaille verliehen, 1977 eine Bronzemedaille.