Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Glauben Sie das wirklich?
Das ist vermutlich eine kindliche Vorstellung, aber im Grunde meines Herzens bin ich davon überzeugt, dass meine Frau noch immer mitbekommt, was bei uns hier unten vor sich geht. Ich rede auch nach wie vor mit ihr. Wenn ich nicht weiterweiß, sage ich laut: „Komm, hilf mir!“ Und tatsächlich finde ich dann für alles eine Lösung.
Sie scheinen alleine ganz gut klarzukommen.
Das stimmt. Viele Witwer meiner Generation sind ja heillos überfordert, weil die alltäglichen Dinge stets ihre Ehefrauen erledigt haben. Bei mir ist das anders. Als ich 2006 meinen Stuckateurbetrieb abgab, war meine Frau bereits krank. Sie sagte damals: „Guck nach einer anderen Frau, was willst du denn noch mit mir?“ Und ich entgegnete: „Du hast mir früher den Rücken freigehalten. Jetzt bin ich für dich da. Und keiner von uns muss ein schlechtes Gewissen haben.“ Jahrelang habe ich sie hier im Haus gepflegt, die letzten Monate konnte sie nach einem Oberschenkelhalsbruch nicht mal mehr aufstehen. Ich kaufte ein, kochte, kümmerte mich um die Wäsche. Ich kann mich also gut selbst versorgen. Aber natürlich fehlt mir meine Frau manchmal sehr. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang haben wir miteinander geredet und gelacht. Da ist nun eine große Lücke, die niemand füllen kann.
Was hat Sie beide verbunden?
Vor allem ein tiefes gegenseitiges Vertrauen. Karin war die einzige Frau in meinem Leben, und ich war ihr einziger Mann. Irgendwann wussten wir genau, wie der andere tickt. Karin bestand darauf, dass wir uns sofort sagen, wenn uns etwas nicht passt. Gab es ein Problem, haben wir es ausdiskutiert, oft stundenlang.
Das klingt ziemlich anstrengend.
Ich sah das positiv: Mir wurde in meiner Beziehung nie langweilig, es war immer etwas los.
Und wer von Ihnen beiden hatte das letzte Wort?
Das kam auf die Situation an. Es gab ein paar feste Regeln, die meine Frau aufgestellt hatte und die alle damit zu tun hatten, dass ich mich in meinem Beruf manchmal zu sehr engagierte. Zum Beispiel musste ich um 18 Uhr Feierabend machen, damit ich mich auch noch ums Familienleben kümmern konnte. Aus demselben Grund verbot Karin mir irgendwann, am Wochenende ins Büro zu gehen. Und als ich Anfang der 90er Jahre wegen Arbeitsüberlastung umgekippt war, verlangte sie: „Ab sofort machen wir jeden Sommer vier Wochen am Stück Urlaub.“ Ich habe gesagt: „Du spinnst ja. Als Chef von 80 Leuten kann ich nicht einen ganzen Monat lang weg sein.“ Aber Karin blieb in diesem Punkt unnachgiebig. Also sind wir in Irland auf einem Hausboot den Shannon runtergeschippert. Als ich zurückkam, hatten mir meine Mitarbeiter bewiesen, dass sie auch ohne mich klarkommen. In den folgenden Sommern bin ich völlig gelassen mit Frau und Kindern für vier Wochen an die Nordsee oder in die Alpen gefahren.