Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Du hast dir auf der Internet-Videoplattform Youtube einen eigenen Channel eingerichtet. Was versprichst du dir davon?
Ich versuche, möglichst viele Leute mit meiner Musik zu erreichen und zu zeigen, dass ich etwas kann. Meine Live-Auftritte reichen dafür nicht aus. Früher war ich nicht viel im Internet unterwegs, weil ich diese künstliche Welt eigentlich nicht besonders spannend finde. Aber mittlerweile ist mir klar, dass ich mich auf Youtube, Facebook und Instagram präsentieren muss, wenn ich es mit einer Karriere als Musikerin ernst meine. Deshalb nutze ich die sozialen Netzwerke nun intensiver.
Der Star der deutschen Youtube-Szene, Florian Mundt alias LeFloid, hat etwa 2,6 Millionen Abonnenten. Träumst du von so einem großen Publikum?
Wer sehnt sich nicht nach Anerkennung? Ich glaube, jeder braucht eine gewisse Dosis davon. So weit wie LeFloid bringen es natürlich die wenigsten. Ich wäre zufrieden, wenn ich mir als Sängerin eine kleine Fan-Base aufbauen könnte.
In einem Youtube-Video singst du mit deinem Mitschüler Viktor. Ein Kommentar zu dem Duett lautet: „Mädchen top, der Fette Flop.“
Es ist schlimm, dass manche Leute so etwas schreiben. Zum Glück ist Viktor ziemlich beliebt hier in Freiberg, den werfen ein paar blöde Worte nicht aus der Bahn.
Dich haben solche blöden Worte früher sehr verletzt. Bist du ein besonders empfindsames Mädchen?
Zumindest bin ich anders als manche Mädchen in meinem Alter. Zum Beispiel lehne ich die Schönheitsideale ab, mit denen wir jungen Frauen heutzutage überall konfrontiert werden. Ich mache mir auch nicht viel aus materiellen Dingen. Meine Eltern sind nicht reich, aber bemühen sich, uns Kindern bei allem, an das wir uns heranwagen, zu unterstützen – mir fehlte nie etwas. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, weil sie versuchen, uns jeden Wunsch zu erfüllen. Seit einiger Zeit bekomme ich sogar professionellen Gesangsunterricht. Meine Familie glaubt an mich!
Spielt Religion in deiner Familie eine Rolle?
Wir sind Muslime. Ich trage kein Kopftuch, aber das bedeutet nicht, dass ich nicht gläubig bin. Wenn ich ein Leben in Bescheidenheit führe, dann werde ich nach dem Tod dafür belohnt – davon bin ich überzeugt. Mich nervt total, wenn ich auf die sogenannten Islamisten angesprochen werde. Mit denen habe ich nichts zu tun: Radikalen Gruppierungen wie dem IS geht es, denke ich, um Macht. Die Gewalt, die sie ausüben, hat nichts mit dem Islam zu tun. Meine Religion ist auch nicht, wie es oft heißt, frauenfeindlich. Im Koran steht, dass der Mann die Frau auf Händen tragen soll. Das gefällt mir. Und ich finde, dass die Fastenzeit sinnvoll ist: Wenn man eine Zeit lang auf etwas verzichtet, lernt man das, was man normalerweise hat, mehr zu schätzen. Ich esse übrigens auch seit drei Jahren kein Fleisch mehr, weil ich im Internet Filme gesehen habe, die mir bewusst gemacht haben, wie grausam mit den Nutztieren umgegangen wird.
Die meisten Leute blenden solche unangenehmen Wahrheiten aus, warum du nicht?
Weil ich mich intensiv mit ethischen Fragen und unterschiedlichen Weltanschauungen befasse. Zum Beispiel fasziniert mich die Philosophie von Thomas Hobbes: Der Mensch ist des Menschen Wolf. Der Mensch ist für mich das Tier auf unserem Planeten, das alle anderen Tiere unterdrückt.
Was sagen deine Eltern zu solchen Thesen?
Meine Mutter verdreht die Augen und stöhnt: „Wie kann man nur so etwas Seltsames denken?“ Wir sind häufig unterschiedlicher Meinung. Aber ich bin froh, dass auch sie immer offen sagt, was sie denkt. Unsere Debatten empfinde ich oft als äußerst amüsant – vor allem wegen unseres Temperaments.